Hotel Mama vorübergehend geschlossen
spurtete zurück ins Haus und lief genau Clemens in die Arme, der mit einem zerfledderten Buch die Treppe herunterkam. »Sag mal, das war doch nicht etwa eine Erstausgabe, ein signiertes Exemplar oder so was?«
»Zeig mal her!« Sie nahm ihm den leicht angefeuchteten Papierklumpen aus der Hand. »Keine Ahnung, was das ist. Wo hast du es denn gefunden?«
»Teils in der Badewanne, teils im Waschbecken, und ich glaube, in der Toilette stecken auch noch ein paar Seiten.« Mit spitzen Fingern reichte er ihr zwei einzelne Blätter, die heruntergefallen und auf dem Geländer klebengeblieben waren.
»Tine! Hast du etwa schon wieder nicht genug Klopapier gekauft?« Nur einen Blick warf Florian auf die Frakturschrift, dann wußte er Bescheid. »Na ja, ein Autogramm vom Autor war bestimmt nicht drin, aber mit Sicherheit eine Widmung, denn wenn mich nicht alles täuscht, dann ist das mein Konfirmationsgeschenk von Tante Klärchen gewesen. Du brauchst gar nicht so ungläubig zu gucken, Clemens, damals schenkte man sowas. Die Mädchen bekamen meistens Handtücher oder Bettwäsche für die Aussteuer und die Jungs was Dekoratives für den Bücherschrank. Klassiker in Leder mit Goldschnitt waren immer sehr beliebt.«
»Glaub ich dir ja, ich habe mich nur gewundert, daß du auf Anhieb erkannt hast, was das mal für ein Buch gewesen ist!« Er deutete auf das durchweichte Papier. »Viel ist davon ja nicht übriggeblieben.«
»Und wenn schon, ein gebildeter Mensch kennt eben seinen Gottfried Keller«, sagte Florian lässig und steckte das zusammengeknüllte Blatt mit dem Inhaltsverzeichnis des Romans
Der grüne Heinrich
unauffällig in die Hosentasche. »Jetzt würde ich nur noch gern wissen, wie dieses Buch aus meinem Zimmer ins Bad und dort wiederum in die Wanne gekommen ist.«
»Den ersten Teil der Frage kann ich beantworten«, gestand Tinchen kleinlaut. »Als ich in der Mansarde das Gästebett aufgebaut habe, ist der eine Fuß abgebrochen, und da habe ich was Passendes zum Drunterschieben gesucht. Das Buch hatte genau die richtige Dicke.«
»Hast du wirklich nichts anderes …?«
»Nicht auf die Schnelle! Und überhaupt habe ich dir schon das letztemal gesagt, daß der Fuß wackelt«, verteidigte sie sich. »Aber wer es ins Bad gelegt hat, weiß ich nun wirklich nicht. Vielleicht wollte jemand was zu lesen mitnehmen?!«
»Das war Tanja«, behauptete der von seinem ahnungsvollen Vater zwecks Aufklärung herbeizitierte Michael. »Wie wir nämlich Raumschiff Enterprise gespielt haben, da hat die Tanja immer mitgewollt, aber weil doch in den Shuttle bloß drei Personen reinpassen, ging das nicht, außerdem ist sie beim Start nicht ruhig sitzen geblieben, deshalb ist ja auch das Bett so komisch zur Seite gekippt, und da …«
»… da hat der Tim gesagt, die Tanja soll lieber malen, das macht sie nämlich so gerne«, fuhr Matthias fort, seinen Bruder rhetorisch unterstützend, denn der war manchmal zu mitteilungsbedürftig, »und sie kann auch seine Wasserfarben kriegen, hat Tim versprochen. Wir hatten bloß kein Malpapier, und da ist ihm eingefallen, daß sein Opa im Schreibtisch ganz viel davon hat, bloß darf er nicht ran.«
»An den Bücherschrank aber auch nicht!« knurrte der Opa.
»War er ja gar nicht! Wir haben doch das alte Buch gesehen, das da ganz plötzlich so auf dem Boden rumgelegen hat, und weil das schon ein bißchen eingerissen war und der Deckel verbeult, da hat Tim gesagt, das bräuchte bestimmt keiner mehr. Oder vielleicht doch, Onkel Florian?« kam es zaghaft hinterher.
»Dann muß er ja richtig auswärts lesen können! Is ja echt geil!«
»Das heißt ausländisch, du Trottel!« verbesserte Matthias. »Weißt du, Vati, wir haben nämlich versucht, was davon zu lesen, aber nicht mal ich habe das gekonnt, dabei bin ich doch schon in der fünften Klasse und kann Englisch.«
»Also wird's wohl Afrikanisch oder sowas gewesen sein«, vermutete Michael, »die haben doch so ulkige Buchstaben. Kannst du wirklich Afrikanisch, Onkel Florian?«
»Kann er nicht!« sagte Tinchen. »Aber ich!« Und sofort legte sie los: »Nataka kahawa na maziwa na sukari mkate siagi e mbili mayai, tafadhali.«
Sekundenlanges Schweigen, dann Clemens' mißtrauische Frage: »War das eben Originalton?«
»Natürlich! Was hast du denn gedacht? Ich habe mir gerade auf Suaheli ein Frühstück bestellt!«
Die beiden Jungs waren begeistert. »Mööönsch, das hört sich ja geil an, Tante Tina. Sag mal noch was!«
»Kannst du auch ein
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