Hotel Mama vorübergehend geschlossen
bist du mit ihnen spazierengegangen? Und sie sind freiwillig mitgekommen?«
»So direkt kann man das nicht sagen«, gab er zu, »aber ich bin schließlich der Stärkere. Die Aussicht, sich nicht gründlich waschen zu müssen, weil wir euch nicht stören wollten, hat einiges bewirkt, außerdem habe ich ihnen versprochen, daß sie sich ihr Frühstück beim Bäcker selber aussuchen können.«
»Und? Haben sie?«
»Ja, zwei Stück Linzer Torte, zwei überalterte Schneckennudeln, die gab's umsonst, je fünf Tüten Brausepulver und eine Packung Gummibärchen.«
»O Gott«, sagte Tinchen nur, »und wo sind sie jetzt? Wieder im Bett mit 'ner Schüssel daneben?«
»Nee, ich hab sie oben vor der Glotze geparkt, da sind sie wenigstens ruhig. Tom und Jerry satt. Zu Hause dürfen sie nicht, haben sie gesagt, also genießen sie es jetzt mal. Ist ja Weihnachten.«
»Weihnachten ist vorbei!« erinnerte sie, »hast du selbst gesagt.« Genüßlich tröpfelte sie Honig auf eine Brötchenhälfte, und während sie hineinbiß, ließ sie den Blick noch einmal über den ganzen Tisch schweifen. »Mal abgesehen davon, daß dein Kaffee wesentlich besser als seiner schmeckt, kriegt sogar Florian welchen hin, jedenfalls seitdem es diese praktischen Maschinen gibt, und Eier kochen kann er auch – harte!« betonte sie nachdrücklich. »Aber er wäre nie und nimmer von allein auf den Gedanken gekommen, Orangen auszupressen. Sowas muß ich ihm erst sagen und dann vor die Nase stellen. Wo hast du die denn hergehabt? Beim Bäcker gibt's doch keine.«
»Ich habe die Bunten Teller geplündert!«
»Erst Toni, jetzt du … ist denn da überhaupt noch was drauf? – Na ja, egal, Weihnachten ist vorbei, und eigentlich habe ich auch etwas ganz anderes sagen wollen. Bück dich mal, sonst komme ich nicht ran!« Sie zog seinen Kopf zu sich herunter, fuhr ihm zärtlich durch die Haare und drückte ihm einen Kuß auf die Wange. Dann ließ sie ihn los. »Ich weiß ja, daß ihr Teenies derartige Gunstbeweise verabscheut, aber mir ist im Moment nichts weniger Altmodisches eingefallen.«
»Und ich hätte mir gar kein schöneres Danke vorstellen können«, kam es spontan zurück. »Willst du noch Kaffee?«
»Bloß nicht, ich bin bis obenhin abgefüllt, und meinem Kopf geht es auch schon viel besser.« Sie sah auf die Uhr. »Gleich halb elf. Meinst du nicht, wir sollten mal Clemens und Katrin wecken? Ihr Zug geht zwar erst gegen zwei, aber bis sie angezogen sind und in aller Ruhe gefrühstückt haben … Für wen ist übrigens das fünfte Gedeck? Du hast doch gar nicht mitgegessen
?«
»Für mich, der sich bereits vor Stunden bei Wind und Wetter zwecks Nahrungsbeschaffung durch die Geographie gekämpft hat, wäre das nun wirklich ein bißchen spät gewesen, aber gegen ein zweites Frühstück nachher hätte ich nichts einzuwenden …«
»…
und danach gehen wir dann nahtlos zum Mittagessen über!« kam es von der Tür, von wo eine nur spärlich bekleidete Julia interessiert den Tisch musterte. »Eigentlich bin ich ja auf Diät, aber wenn ich das hier so sehe …«
»Na, von Diät habe ich gestern aber nichts bei dir gemerkt.« Einladend deutete Tinchen auf den Platz neben sich. »Außerdem hast du wirklich keine nötig.«
»Eben!« bestätigte Björn, »du bist doch sowieso schon schlank wie ein Reh. Oder wie heißt das große graue Tier mit dem Rüssel? – Autsch!«
Julia hatte nach dem erstbesten Gegenstand gegriffen, ihn Björn an den Kopf geworfen und sogar getroffen. Es war einer der beiden Handschuhe gewesen. Einschließlich vorbildlich gekochtem Dreieinhalb-Minuten-Ei. Davon konnten sie sich jetzt überzeugen, während die gelbe Soße über Björns Sweatshirt kleckerte. »Sorry! Hier, leg dich mal trocken!« Sie reichte ihm ein paar Papierservietten. »Das wollte ich nicht, aber halbwüchsige Knaben sind nun mal eine Heimsuchung. Man sollte sie bis zum Ende der Pubertät kasernieren.«
»Was ist Pubertät?« fragte Björn grinsend, »etwa was Unanständiges?«
»Pubertät ist, wenn die Eltern anfangen, schwierig zu werden!« Tinchen sprach aus doppelter Erfahrung. Als sie ein Teenager gewesen war, wurden Mädchen ihres Alters noch Backfische genannt, aber das war auch der einzige Unterschied gewesen. Ein paar Jahre später hatte sie selbst manches Mal die ach so harmlosen Späße ihres Bruders ausbaden müssen (und im stillen ihrer Mutter Abbitte geleistet), doch als ihre eigenen Kinder ins Flegelalter gekommen waren, hatte sie nur noch deren
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