Hotel Nirgendwo - Roman
einige Erwachsene an, ihm dafür Geld zu geben, dass er Werkzeug und andere Sachen für sie klaute. In der sechsten Klasse brach er die Schule ab. Ich glaube, ich war sogar ein bisschen verliebt in ihn. Er rauchte ein ganzes Päckchen Marlboro am Tag. Dann wurden seine Zähne schlecht und seine Haut nahm insgesamt eine eigenartig gelbliche Farbe an. Er blieb klein, war aber immer mit älteren Jungen befreundet. Um sie zu erheitern, hängte er hin und wieder eine Katze am Basketballkorb auf. Als sie eine Wohnung zugeteilt bekamen, sprach man immer von seiner Mutter und den Lastwagenfahrern und den Leuten vom Ministerium, angeblich schlief sie mit ihnen.
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Das Kabinettszimmer Nummer 5 wurde zur Kirche umfunktioniert. Dort fand jeden Sonntag die Messe statt. Aus einem alten Kabinettstisch wurde ein Altar, bedeckt mit einem großen weißen Tuch, darin befanden sich einige hundert Bücher über die Partei samt einigen eingerahmten Bildern von Marschall Tito. Daneben standen drei Beichtstühle, die aus mehreren gegenübergestellten Stühlen bestanden. Dort beteten die Leute an den Sonntagen oder gingen zum Religionsunterricht. In das große Konferenzzimmer kamen auch manchmal Ärzte, um uns zu untersuchen und um mit den Jüngeren über Sex zu sprechen. Einmal kamen auch Filmregisseure vorbei. Sie waren auf der Suche nach zwei schauspielernden Kindern. Ich bewarb mich um die Rolle und war mir ganz sicher, dass ich sie bekommen würde.
Ungefähr fünfzig Kinder drängelten sich um den großen ovalen Tisch und sprachen für die Rolle vor. Die Schauspieler sollten zwischen sieben und zwölf sein. Am Anfang mussten wir alle aufstehen und laut und deutlich unseren Namen und unser Alter nennen. Danach wurden die ersten aussortiert. Ich rannte ins Zimmer und informierte Mama, dass wir, so ich die Rolle gewinnen sollte, wieder zurück nach Zagreb müssten. Ein paar Minuten später wurden die Namen derer verlesen, die noch im Spiel waren. Mir kam es so vor, als hätte ich meinen eigenen Namen nicht gehört. Ich kämpfte mich durch die plärrende Kinderschar. Als es mir endlich gelang, zu der hochgewachsenen Dame vorzudringen, die einen Stapel Papiere in der Hand hielt, sagte ich, man habe mich nicht aufgerufen. Sie sah mich an und sagte: »Wenn wir dich nicht aufgerufen haben, dann mach, dass du hier verschwindest.« Das war ein unglaublicher Schock, ich konnte es nicht fassen, dass ich nicht weitergekommen war und die Rolle nicht bekommen hatte. Aber kein Bewohner der ehemaligen Politikschule hatte es geschafft, eine Rolle zu bekommen. Wir hörten später, dass es ein ziemlich schlechter Film war, alle waren enttäuscht davon. Die Hauptrolle hatte der Sohn unseres ehemaligen Zahnarztes bekommen. Dabei konnte er nicht einmal den Buchstaben r aussprechen.
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Mein Großvater trank viel. Vor langer Zeit, als er ein junger Mann gewesen war, ist er vom Motorrad gefallen und hatte dabei eine Kopfverletzung davongetragen. Seitdem war bei ihm wohl etwas durcheinandergeraten und er hatte mit dem Trinken angefangen. So lautete jedenfalls die offizielle Version. Manchmal trank er weniger, manchmal mehr, aber er hielt sich meistens irgendwie auf den Beinen und fand auch in der Regel den Weg nach Hause. Von den Leuten, die in Vukovar geblieben waren, hörten wir, dass er einmal betrunken mit dem Motorrad unterwegs gewesen war und dabei von einem Granatensplitter am Hintern getroffen wurde. Diese Geschichte erzählte man sich immer wieder unter prustendem Gelächter. Eine andere Geschichte hörte ich jedoch nur ein einziges Mal, nämlich dass ihm die Tschetniks Schnaps gegeben und er sich mit ihnen angefreundet hatte. Falls er damit irgendetwas erreichen wollte, ist er gescheitert, denn am Ende hat auch er ihnen das Haus überschrieben. Manchmal habe ich so getan, als würde ich ihn nicht kennen. Wenn ich ihn auf mich zugehen sah, bog ich auf die Feuerwehrtreppe ab und lief davon. Hinter ihm rannte immer ein ganzer Rattenschwanz kleiner Kinder her, weil sie wussten, dass er die Taschen voller Bonbons hatte, die er bereitwillig verteilte. Er mochte es, mit ihnen zu spielen und Späße zu machen, aber sie konnten zuweilen ganz schön grob zu ihm sein. Und eines Tages drohte ihm Dražens Vater, er würde ihn auf der Stelle umbringen, wenn er sich noch einmal in der Nähe seines Kleinen blicken ließe, und beschimpfte ihn als seniles, besoffenes Pferd.
Von da an mied ich Opa noch mehr auf den Hotelgängen, aber manchmal besuchte
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