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Hotel Nirgendwo - Roman

Hotel Nirgendwo - Roman

Titel: Hotel Nirgendwo - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Zsolnay Verlag
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aussahen, und wegen der Frisur, die ihr ihre Mutter immer verpasste, weil man mit ihrem Haar offenbar nichts anderes anstellen konnte. Sie selbst sprach das Ganze Bitlus aus, weshalb sie uns noch erbärmlicher vorkam. Ihre ältere Schwester Kristina hatte prachtvolles schwarzes Haar, das ihr bis zur Taille reichte, sie machte gerade ihren Abschluss auf der Handelsschule und war mit einem Mann aus Zagorje verlobt. In ihrem Zimmer war es sauber wie in einem Krankenhaus, nur dass es voller Krimskrams war. Ich weiß das, denn einige Male besuchte ich Nataša, wenn niemand sonst im Hotel war. Sie kam jeden Tag zu mir und lief oft hinter mir her, weil ich manchmal nett zu ihr war. Wenn ich sie besuchte, führte sie mir alles vor, was sie besaß, mit Vorliebe jene Sachen, die sie gar nicht zeigen durfte, so wie die persönlichen Dinge ihrer Schwester. Einmal zog sie sogar Kristinas Slipeinlagen heraus, tat so, als wüsste sie, wozu diese gut waren, und sagte, sie würde mir eine davon abgeben, wenn ich ihr versprechen würde, morgen wieder vorbeizukommen. Ihre Eltern lebten im Zimmer nebenan. Ihre Mutter war ein stilles Frauchen, das immerzu am Aufräumen und am Saubermachen war. Ihr Vater kam sich wie ein großer Kavalier vor. Aber alle wussten, dass er heimlich etwas mit einer anderen Frau hatte, die aus Zagorje stammte und an der Rezeption arbeitete.
     
    In dieser Zeit gründete ich eine Tanzgruppe und suchte die Tänzerinnen dafür aus. Ich war für die Choreographien verantwortlich und entschied, zu welchen Liedern getanzt wurde und welches Outfit wir trugen. Für die Proben stellte man uns sogar das Kabinettszimmer Nummer 4 zur Verfügung, in dem bis mittags der Kindergarten untergebracht war. Wenn wir eine Tanznummer eingeübt hatten, klebten wir um die Rezeption herum Plakate an und luden die Leute ein, uns in der Sporthalle zuzuschauen. Auf der Tribüne fanden sich vornehmlich Alte und Kinder ein, und wir hatten das Gefühl, dass alle so sein wollten wie wir. Dickwanst Nataša verfolgte uns während dieser ganzen Zeit und wollte bei uns mittanzen. Wir waren uns alle darin einig, dass sie nicht die geringste Chance hatte. Wir übten »Es ist erst Mitternacht« ein, und ich beschloss, dass uns noch ein Junge fehlte, der im Hintergrund rappen würde, während wir tanzten, aber ein solcher war weit und breit nicht auffindbar. Einen Tag vor unserem Auftritt gab es ein großes Gedränge im ersten Stock, man hörte laute Frauenschreie und tränenerstickte Seufzer. Dickwanst stand auf der Feuerleiter. Ich wollte wissen, was los war. »Er ist mit der Nutte aus dem Hinterland abgehauen!« Ich glaube, für alle war es das größte Problem, dass die andere Frau aus dem Hinterland kam. Zu Nataša sagte ich, wenn sie wolle, könne sie morgen zu uns in die Sporthalle kommen, in schwarzer Kleidung und mit einer Sonnenbrille. Sie könne neben uns stehen und den rappenden Jungen spielen. Sie sagte, sie würde kommen, aber ihre Mutter verbot es ihr am nächsten Tag.
     
    *
     
    Das Kabinettszimmer Nummer 7 war der beliebteste Ort in der ganzen Politikschule. Die Rezeption überließ diesen Raum den Jüngeren, damit sie dort Silvester feiern, »Mensch ärgere dich nicht« oder Karten spielen konnten. Manche schlugen dort einfach nur die Zeit tot, jeder, der im Alter zwischen dreizehn und siebzehn war, kam früher oder später hierher. Ich war zwar ein bisschen jünger, aber ich wusste genau, wie es im Zimmer Nummer 7 aussah, weil ich mich öfter über die Feuerwehrtreppe herangeschlichen hatte, von wo aus ich in das Zimmer hineinschauen konnte, vorausgesetzt, die Tür stand einen Spaltbreit offen. Das machten alle, die sich in der Nähe der Sieben befanden, und wenn die Leute drinnen bemerkten, dass wir sie beobachteten, schlugen sie uns die Tür vor der Nase zu und ließen uns in einer Rauchwolke zurück. Im Kabinettszimmer standen ein paar Sessel sowie eine alte Couch herum, an einer Stelle ragte der Matratzenschaum hervor, offenbar weil jemand mit dem Messer darauf eingestochen hatte. Auch ein paar niedrige Tische waren zu sehen, und in der Mitte des Raumes thronte eine Tischtennisplatte, aber das war auch schon alles. Die Wände waren mit bunten Papieren beklebt, auf denen die blödesten Sprüche festgehalten waren, welche die weniger beliebten Mitglieder unserer Gemeinschaft im Laufe der Zeit so von sich gegeben hatten. Den größten Anteil stellten die Äußerungen des Dickwansts dar, aber da sie nur selten am Kabinettszimmer

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