Hotel Pastis
den Entwurf der Pressemitteilung, die er vorbereitet hatte. Sie war, ging es ihm durch den Kopf, ein Paradebeispiel für Unsinn, der auf den ersten Blick bedeutsam schien. Es war ihm gelungen, einige seiner Lieblingsfloskeln einfließen zu lassen: die »kreative Schaffenspause« fehlte nicht, ebensowenig »auf steter Tuchfühlung mit dem objektiven globalen Überblick« sowie die »fortwährend engen Beziehungen zur Agentur«. Ein Meisterwerk an verschwommener Begrifflichkeit. Jordan sähe wahrscheinlich noch gern einen Absatz über sich und sein Management-Team eingefügt, aber das war schnell gemacht. Und Ziegler? Er würde es Bockmist nennen, und er hatte recht. Aber er wußte ebenso wie Simon, daß Bockmist in der Werbebranche der Kitt ist, der alles zusammenhält.
Simon kehrte durch die leeren Straßen in seine Wohnung zurück und zündete sich eine Zigarre an, während er auf Jordan wartete. In ein paar Stunden war alles überstanden. Jordans Kommen kündigte sich durch das heisere Tuckern des Bentley an, der in die Rutland Gate einbog, und Simon ging nach draußen. Jordan trug einen seiner kugelsicheren Tweedanzüge, die braun und borstig wie ein Fußabstreifer waren. Um den Hals hatte er sich eine Wollkrawatte gebunden. Er lächelte und zog zur Begrüßung an seinen Manschetten. »Morgen, alter junge. Die Feiertage gut überstanden?« Simon stieg ein und betrachtete anerkennend die Innenausstattung aus dunkelbraunem Leder und poliertem Walnußholz. »Na ja, so eben. Und Sie?«
»Noch keine Katastrophen soweit, aber diese kleine Unterbrechung kam gerade zur rechten Zeit, kann ich Ihnen sagen. Bridge rund um die Uhr ist auf die Dauer stinklangweilig.« Er sah Simon an und trommelte mit den Fingern auf dem Steuerrad. »Das ist ja alles höchst aufregend. Erzählen Sie doch mal, was los ist.«
»Wir treffen uns mit Ziegler im Claridge, und ich trete zurück.«
Jordan grinste, als er die Rutland Gate verließ. »Lassen Sie sich mal einen neuen Witz einfallen, alter Junge?« Er trat aufs Gaspedal und beschleunigte auf hundert. Sie fuhren gerade an Hyde Park Corner vorbei, und ein Taxi wich mit einem ärgerlichen Hupsignal der riesigen Karosse aus. »Was sagen Sie zu dem Wagen?«
»Etwas langsamer wäre mir lieber. Zum Claridge geht’s die nächste rechts.«
Jordan wechselte zwei Fahrspuren nach rechts. »Das meinen Sie doch nicht im Ernst? Das mit dem Rücktritt?«
»Wenn ich bis dahin noch lebe, schon.«
Jordan gab keine Antwort, und Simon lächelte in sich hinein. Das lauteste Geräusch im Auto war das Tickern in Jordans Gehirn. Jetzt fuhren sie die Hoteleinfahrt hinauf. Ziegler empfing sie in seiner Suite. Er trug einen grauen Jogginganzug und weich gefederte Joggingschuhe. Als er Jordan erblickte, runzelte er die Stirn. »Ist das eine Delegation, oder was?«
»Gott zum Gruß, Bob«, sagte Simon. »Ich hoffe, es geht Ihnen gut?«
Ziegler sah die beiden mißtrauisch an. Paarweise auftretende Männer führten seiner Erfahrung nach meist etwas im Schilde und bedeuteten Ärger. Er beschloß aber, zunächst einmal freundlich zu sein. »Klar doch. Was möchten die Herren trinken? Saft? Kaffee?«
Jordan sah auf die Uhr. »Ich hätte eigentlich nichts gegen ein Glas Schampus.« Ziegler schaute ihn verständnislos an. »Champagner.«
Ziegler rief den Zimmerservice, und Simon packte die Unterlagen aus, die er mitgebracht hatte. Jordan widmete sich der Prozedur seiner Zigarettenauswahl.
»Okay.« Ziegler setzte sich so weit wie möglich vom Aschenbecher weg. »Worum geht’s also?«
Simon erläuterte sein Vorhaben langsam und sachlich und betonte den Wunsch, sein Abschied möge den Anfang einer positiven Weiterentwicklung für die Agentur bedeuten. Er sicherte seine Kooperationsbereitschaft zu und kündigte an, seine Firmenanteile nach und nach an die anderen Geschäftsführer abzugeben. Als er ihnen gerade den Entwurf seiner Pressemitteilung überreichte, kam der Champagner. Simon stand auf und gab dem Kellner ein Trinkgeld. Von der Tür aus sah er, wie die beiden Männer stirnrunzelnd über den Pressetext gebeugt saßen und lasen. Er versuchte abzuschätzen, was in ihnen vorging.
Ziegler war sicherlich erfreut darüber, daß Simon abtrat und er endlich der unumstrittene Herrscher der Werbewelt wurde. Jordan würde ein größeres Büro bekommen und ein höheres Gehalt, das zu seinem großen neuen Wagen paßte. Keiner von beiden würde ihn persönlich vermissen, so wenig wie er sie. Es war alles nur
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