Hotel Pastis
dem chantier — , sie ließen keine Gelegenheit aus, sich beherrscht verzweifelt zu geben. Doch wenigstens waren die meisten von ihnen höflich, nicht so arrogant wie die Pariser. Mein Gott, die Pariser. Er leerte sein Glas und gähnte. Morgen war wieder eine Trainingsstunde mit dem General, eine weitere Schinderei. Sein Rücken schmerzte noch vom letztenmal. Fahrradsättel waren nicht für große Männer gebaut. » Alors, on y va ?«
Sie verabschiedeten sich von Simon. Für einen Engländer war er, fanden sie, gar nicht so übel. Sie schüttelten ihm herzlich die Hand. Immerhin verschaffte er ihnen Arbeit den ganzen Winter lang, bequeme Arbeit drinnen.
Simon entspannte sich allmählich. Crouch würde sich schon zu beherrschen wissen, dessen war er sich sicher. Die giftige kleine Kröte hatte ihm geglaubt und schien nicht zu denen zu gehören, die genügend Mut und Selbstvertrauen besaßen, ein Risiko einzugehen. Auch hatte Crouch nicht den Vorteil, den Journalisten für gewöhnlich besitzen: Schläge zu verteilen und dann vor den Konsequenzen ihres Artikels davonzulaufen und sich hinter dem breiten Rücken des Chefredakteurs zu verstecken. Denn dieser war ein paar hundert Kilometer weit weg. Und außerdem, mit einem Feind im Dorf würde man ein leichteres Spiel haben als mit einem Feind in London.
Es war schon weit nach Mitternacht, als der letzte Gast, ein vom Wein geröteter und alkoholseliger Bürgermeister Bonetto, die drei Gastgeber zum Abschied umarmte und heim in sein Café torkelte. Ernest schnitt den Gipsy Kings mitten im Lied das Wort ab und legte Chopin auf. Eine wohltuende Ruhe verbreitete sich im Raum. Die Überreste des Festes — Flaschen, Gläser, Teller und Aschenbecher überall, ein leergegessenes Buffet — waren ein erfreulicher Anblick, die untrüglichen Zeichen eines gelungenen Abends. Simon mußte das Rotweinfaß neigen, um die Gläser zu füllen.
Sie waren müde, ohne jedoch gleich schlafen gehen zu wollen, und unterhielten sich über den Abend. Der Bürgermeister hatte Nicole in den Hintern gekniffen. Der Vertreter für Alarmanlagen hatte Simon mit Statistiken über die örtliche Verbrecherquote in Angst und Schrecken versetzen wollen. Die Makler hatten Andeutungen gemacht, gegen Provision Kunden für das Hotel beschaffen zu wollen. Duclas von der Autowerkstatt hatte vorgeschlagen, daß der schrottreife Citroën — ein Krankenwagen, der seit achtzehn Monaten bei ihm herumstand — , als Taxi für die Hotelgäste genutzt werden könnte. Diese könnten dann hinten auf der Trage liegen, meinte er, und die ganze Strecke vom Flughafen bis nach Brassière schlafend verbringen. Und Frischvermählte auf Hochzeitsreise...
»Und was war mit dem Herrn mit den Transpirationsproblemen?« fragte Ernest. »Ich habe gesehen, daß Sie einen gemütlichen Plausch mit ihm dort in der Ecke hatten und er sich danach mit seinen Freunden davongeschlichen hat. Die beiden, das muß ich wirklich sagen, wären die idealen Gäste für eine Party, bei der man sich nur anschweigen darf.«
Simon erzählte von seinem Gespräch mit Crouch.
Nicole schüttelte den Kopf. »Wie kompliziert«, sagte sie. »In Frankreich ist das viel einfacher. Man gibt den Journalisten Geld.« Sie zuckte die Achseln. »C’est tout.«
»Und was machst du, wenn sie wiederkommen und mehr wollen?« Simon gähnte und räkelte sich. »Ich denke, er wird sich ruhig verhalten, bis ich alles mit der Agentur geklärt habe. Danach ist es ja auch egal. Wichtiger ist, daß die Dorfbewohner zufrieden sind.«
Sie saßen noch eine halbe Stunde beisammen, und Nicole erzählte, was sie in Gesprächen aufgeschnappt hatte. Genau wie sie vorhergesehen hatte, betrachteten die Leute von Brassière das Hotel als eine angenehme Abwechslung und hofften, auch davon zu profitieren. Ihre Grundstücke würden im Wert steigen, es würde mehr Arbeit geben, vielleicht würden ihre Kinder nicht mehr aus dem Dorf weggehen müssen, um Arbeit zu finden — für sie war der Tourismus etwas Verlockendes. Denn die Postkartenidylle des beschaulichen und sonnigen Landlebens war meilenweit entfernt von der harten Wirklichkeit mit ihren enttäuschenden Ernten, den schmerzenden Rücken und den drückenden Bankschulden. Die Möglichkeit, sich seinen Lebensunterhalt in sauberen Kleidern zu verdienen, wurde sehr begrüßt.
Und so konnten sie mit einem Gefühl der Zufriedenheit die Kerzen löschen und die Tür hinter den Überresten des Festes zusperren. Es war ein gelungenes
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