Hotel Transylvania
»Saint-Germain!«
Er lachte leise und lehnte sich wieder gegen den Tisch. Selbstspott verzog seinen Mund zu einem schmerzlichen Lächeln. »Nein, Ihr müsst mich nicht fürchten; von mir droht Euch keine Gefahr. Für mich liegt keine Freude in einem Überfall, und dem Schrecken, der mit ihm einher geht. Seit mehr als tausend Jahren habe ich keine Frau mehr angefallen. Und gewiss nicht in dem Sinne, wie Ihr es versteht.«
In dem kleinen Privatraum war es sehr still geworden. Drei siebenarmige Kerzenleuchter tauchten das Zimmer in sanftes bernsteinfarbenes Licht.
»Eintausend Jahre?« Sie wollte abfällig klingen, aber die Stimme stockte ihr in der Kehle. »Wie alt seid Ihr?«
»Ich weiß es nicht mehr«, sagte er und wandte sich wieder von ihr ab. »Ich war alt, als Caesar über Rom herrschte. Ich hörte die Lehrstunden des Aristoteles. Akhenaten pries die Ähnlichkeit der Büste, die ich für seine geliebte Nefertiti in Amarna in Auftrag gab. Ihre Ruinen hat noch niemand gefunden, aber ich durchschritt ihre Straßen, als die Stadt neu errichtet wurde.«
»Ihr seid nie gestorben?« Noch während sie fragte, spürte sie, wie ihr die Hände kalt wurden.
»Einst starb ich vor langer Zeit. Gewiss habe ich genug vom Tod gesehen, um zu wissen, wie zerbrechlich und wie kostbar das Leben ist.«
Sie spürte Tränen in ihren Augen, denn in seinen Worten lag solche Einsamkeit, dass ihr das Herz aufging.
»Oh, bemitleidet mich nicht. Ich habe mehr als meinen Anteil am Tod gesehen. Ich glaube, es gab Zeiten, in denen ich wahnsinnig war, und dann badete ich in Blut. Ich suchte nach Kriegen und Grausamkeit. Ich denke an den Circus in Rom, und mich ekelt vor mir selbst. Und als ich in jüngerer Zeit in meine Heimat zurückkehrte, nutzte ich Vaterlandsliebe als Entschuldigung, Leben zu nehmen und mich daran zu ergötzen.« Erneut sah er sie an. »Also seht Ihr, dass die Verehrung, die ich nun für Euch und Euer kurzes Leben hege, teuer erkauft wurde.«
»Saint-Germain, seid Ihr denn so unglücklich?«, flüsterte sie.
Aber er sprach weiter. »Ich trinke das Elixier des Lebens, und ich sterbe nicht. Ich kann nicht sterben.« Er hob die Hand zu den Spitzen vor seinem Hals und berührte den darin eingelassenen Rubin.
»Mit all diesen Jahrhunderten hinter Euch sorgt Ihr Euch immer noch um mich?« Staunen lag in ihrer Stimme, als sie spürte, wie ihre Furcht sich auflöste.
»Natürlich.« Als er dies mit leiser Stimme sagte, sah sie ihn an und erblickte etwas in seinem schönen, faltenlosen Gesicht, das sie gelegentlich bei feinem alten Papier gesehen hatte, etwas Durchscheinendes, das ihr mehr über sein Alter verriet, als Falten es hätten tun können. »Als ich jung war«, sagte er und musterte sie aufmerksam, »hielt man mich für einen hoch gewachsenen Mann. Jetzt bin ich kleiner als der Durchschnitt. Noch vier- oder fünfhundert Jahre, und man wird mich für einen Zwerg halten.« Er trat auf sie zu, und als er auf Armeslänge vor ihr stand, griff er nach ihr und berührte sanft mit seinen kleinen Händen ihr Gesicht.
»Saint-Germain«, sagte sie leise und umfasste seine Hände.
»Führt mich nicht in Versuchung, Madelaine. Ihr wisst nicht, wonach es mich verlangt ...«Er unterbrach sich und brachte sich wieder in die Gewalt. »Kommt, ich bringe Euch zu Eurer Tante.« Sein Verhalten wandelte sich zum Forschen, er senkte die Hände, trat zurück und schloss sie aus. »Denkt daran, was ich Euch über Saint Sebastien gesagt habe, und nehmt Euch in Acht. Ich werde Euch schützen, aber Euer Verstand ist Euer bester Schutz. Wendet ihn an. Und seid nicht zu stolz, um Hilfe zu bitten.«
Wieder nahm sie seine Hand. »Dieses Elixier des Lebens«, sagte sie, wobei ihr Blick den seinen nicht losließ, »wie erlangt Ihr es?«
Er hielt Abstand, bewunderte ihren Mut und wusste, dass es nur so wenig bedurfte, dass er sie in Besitz nahm. Er dachte an die langfristigen Folgen und versuchte, ihre Sehnsucht zu ersticken. »Ich trinke es«, sagte er rau. »Fragt Lucienne Cressie.«
Madelaine nickte. »Das dachte ich mir. Wart Ihr es, der sie krank machte?«
»Nein.« Seine Stimme war leise, aber voller Gefühle. Er entzog ihr die Hand. »Sie nahm mich, weil es keine andere gab. Wenn eine andere da gewesen wäre, dann hätte ich mich ihr nicht genähert.«
»Weiß sie, dass Ihr es seid?«
Er lachte kurz auf. »Sie hat Träume, meine Liebe. Schöne, süße Träume, und für eine kurze Zeit erblüht sie. Dann kommt der Morgen, und alles
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