Hotel Transylvania
er.
»Ich weiß. Ich sagte Euch, dass Ihr ihn unter Verschluss halten und bewachen solltet.« Stahl lag in Saint-Germains Stimme. »Warum wurde diesem Befehl nicht gehorcht?« Im Laufe der Jahre hatte er gelernt, dass Strenge oft dort half, wo die Vernunft versagte. Er spürte, wie Sattin zauderte, und setzte nach. »Ich bin kein geduldiger Mann.«
Sattin war nun noch unbehaglicher zumute, aber er riss sich zusammen und sagte: »Er stand unter Bewachung. Im Speicherraum im dritten Stockwerk. Das Fenster hatten wir nicht gesichert. Wer dort auf die Straße stürzt, ist verloren. Wir dachten nicht, dass er auf diese Weise zu fliehen versuchen würde.«
»Darin irrtet Ihr Euch offenbar.«
Hilflos breitete Sattin die Arme aus. »Wir irrten uns. Ich weiß, dass das keine Entschuldigung ist, Hoheit. Aber wir waren sicher, dass er nicht entkommen konnte. In der ersten Nacht hielt Domingo y Roxas Wache, und am Tag darauf fiel Cielbleu diese Pflicht zu. Wir wechselten uns zu gleichen Teilen in der Wache ab und sorgten dafür, dass Le Grâce sein Essen und etwas Bewegung erhielt. Das Zimmer ist sehr klein, Hoheit. Und als er um weitere Laken bat, gaben wir sie ihm. Es ist kalt in dem Zimmer, und das Wetter ist umgeschlagen. Er zerriss die Laken und machte sich ein Seil und ließ sich vom Fenster auf die Straße hinab. Bis Oulen ihm am Morgen darauf das Frühstück bringen wollte, bemerkten wir nicht, dass Le Grâce geflohen war ... «
»Und Ihr hieltet es nicht für nötig, mich zu verständigen.« Saint-Germain klopfte mit den Fingern seiner schmalen Hände auf die Rückenlehne eines groben Sessels.
»Ich hielt es für das Beste. Er muss Paris verlassen haben. Es war sinnlos, nach ihm zu suchen. Mittlerweile kann er schon unterwegs nach Amerika sein.«
»Er hat Paris nicht verlassen. Fahrt fort.« Sein Blick bohrte sich in den von Sattin, und der englische Zauberer verspürte Furcht.
»Wir ... wir verständigten einige andere in der Stadt, dass Le Grâce entflohen und als Zauberer nicht mehr akzeptabel sei und wahrscheinlich Gefahr laufe, von der Justiz in Gewahrsam genommen zu werden. Man muss nur die Justiz erwähnen, und wir behandeln den betreffenden Bruder wie eine Giftschlange.«
Saint-Germain nickte. »Und nachdem Ihr die anderen Zauberer und Magier alarmiert hattet, was geschah dann?«
»Nichts. So weit wir wissen, ist Le Grâce wie vom Erdboden verschluckt.« Er stockte. »Doch sagt Ihr, dass er immer noch in Paris ist?«
»Das ist er. Einer meiner Diener hat ihn gesehen.« Er überflog den Schankraum. »Studiert Ihr hier die Alchemie?«
Sattin schüttelte rasch den Kopf. »Nein. Unsere Einrichtungen befinden sich in einem Haus ganz in der Nähe. Gegenwärtig arbeiten Domingo y Roxas und seine Sorer dort am Grünen Löwen.«
Also handelte es sich um Alchemisten der modernen Schule, erkannte Saint-Germain. Sie hatten Frauen für die Arbeit an jenen Verfahren, die sie als weiblich erachteten, und Männer für die, die sie für männlich hielten. Und für die hermaphroditischen Prozesse arbeiteten Artifex und Sorer zusammen. »Wann können wir sie stören?«, fragte er mit schiefem Lächeln.
»Nach Sonnenuntergang. Nach dem Verschwinden der Sonne ist jede weitere Arbeit sinnlos.« Er sagte es automatisch, hielt es jedoch für seltsam, dass ein so großer Mann wie Prinz Ragoczy dies nicht wusste.
»Seht Ihr«, sagte Saint-Germain zur Erklärung, »ich habe in anderen Schulen studiert. In den persischen und mohammedanischen Schulen sind Frauen nicht zugelassen. In China dürfen nur Kastraten einige der Arbeiten vornehmen. Ihr müsst Euch ob meiner Frage nicht wundern, Sattin.«
Sattins Miene ähnelte der eines Dominikaners, vor dem die Ketzerei das Haupt erhebt. »Es ist nicht möglich, das Große Werk auf irgendeine andere Weise zu tun.«
»Natürlich«, stimmte Saint-Germain ihm angeödet zu. »Sagt mir, wie Ihr des Athanors und des Schmelztiegels verlustig gegangen seid.«
»Das weiß ich nicht.« Sattin wandte sich ab und starrte in den schwarzen Schlund des Kamins. »Cielbleu liegt im Delirium und kann es uns nicht sagen. Oulen scheint sich in Luft aufgelöst zu haben. Niemand hat ihn gesehen. Niemand.« Er wandte sich ruckartig zu Saint-Germain. »Ihr müsst mir glauben, Hoheit. Wir wussten nicht, dass so etwas geschehen konnte. Als der Athanor gestohlen wurde, war er befeuert. Das Verfahren war im Gang.«
»Eine beachtliche Leistung.« Einen Augenblick lang durchdachte er
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