Hotel Transylvania
abzuwehren. Dann erhellte sich plötzlich ihre Miene, und die abwehrende Geste wurde zu einem Gruß. »Madelaine!«, rief sie und winkte ihre Nichte heran, die gerade den Souperraum am Arm von le Baron de la Tourbèdigue betrat.
Madelaine überflog den Raum, als sie hörte, wie jemand ihren Namen rief, und sie sagte etwas zu ihrer Begleitung.
Der elegante junge Mann im malvenfarbenen Satin gehorchte ihren Wünschen und führte sie durch die Tische mit der Haltung eines Mannes, der einem der besseren römischen Kaiser den Weg bahnt.
»Tante«, sagte Madelaine, sobald sie nahe genug heran war, um sich über das allgemeine Stimmengewirr verständlich machen zu können. »Ich hoffte, dass ich Euch finden würde. Nach all der Tanzerei bin ich geradezu ausgehungert. De la Tourbèdigue hier ist entschlossen, mir die Sohlen von den Füßen zu scheuern.«
Während sie sich näherten, hatte Saint-Germain sich erhoben und hielt ihr nun den Stuhl, den er freigegeben hatte. »Guten Abend, Mademoiselle«, sagte er, ohne seinen Blick zu lange auf ihrem Gesicht ruhen zu lassen.
Sie widmete ihm ein sprödes Lächeln. »Guten Abend, Comte. Ich denke doch, dass ich Euch für den Stuhl danken muss. Ich habe in letzter Zeit so wenig von Euch gesehen, dass ich meine, ich muss im Umgang mit Euch aus Entfremdung auf der Förmlichkeit verharren.«
Das ließ Saint-Germain unbeachtet. »Wollt Ihr mir gestatten, Euch etwas Souper zu bringen, Mademoiselle? Zweifellos wollt Ihr mit Eurer Tante sprechen – «
Hier fiel de la Tourbèdigue, bestrebt zu gefallen, ihm ins Wort. »Nein, vergebt mir, Comte, aber es wäre mir eine Ehre, Mademoiselle zu Diensten zu sein. Ihr hattet bereits das Vergnügen, die Tante zu bedienen; Ihr müsst mir das Vorrecht gestatten, der Nichte zu dienen.« Er verneigte sich ausholend und entfernte sich, noch ehe Saint-Germain Einspruch erheben konnte.
»Wer ist der Welpe?«, fragte er, sobald de la Tourbèdigue den Tisch verlassen hatte.
Madelaine drehte sich zu Saint-Germain um und sagte scharf: »Er ist mein Bewunderer. Mein ergebener Bewunderer.«
»Ach, Madelaine«, sagte ihre Tante und schüttelte den Kopf.
»Nein«, sagte Saint-Germain mit einem zerknirschten Lächeln. »ich verdiene Eure Strenge, Mademoiselle. Doch fürchte ich Euren Spott über einen Mann meines Alters, wenn doch so viele weit jüngere und akzeptablere Herren Euch die Aufwartung machen.« Er warf Madelaine einen raschen sprechenden Blick zu und sah das antwortende Feuer in ihren Augen.
»Ihr mögt nicht so jung sein wie die meisten Galane Madelaines«, stellte Claudia d'Argenlac fest, »doch habt Ihr zwanzig Mal ihre Adresse.«
»Mindestens«, pflichtete Saint-Germain ihr mit einem boshaften Schmunzeln bei. Wieder sah er Madelaine an. »Ich bin untröstlich, dass meine Geschäfte es nicht zulassen, mich Euch auf Sans Désespoir anzuschließen, doch entdecke ich, dass ich für einige Tage Paris verlassen muss.« Er trat zurück und hatte schon fast beiden Frauen einen Kratzfuß entboten, als Madelaine ihn aufhielt.
»Oh. Saint-Germain, ich wünschte Ihr wäret auch dort. Ich habe unsere Musiknachmittage vermisst.«
»Seid versichert, dass ich mit einigen neuen Stücken für Eure Fete befasst bin.« Er überflog den Raum. »Seht, hier kehrt Euer ergebener junger Baron zurück, Mademoiselle. Ich muss Euch verlassen, doch wird er Euch gewiss unterhalten.«
Madelaine erhob den Blick ihrer veilchenblauen Augen. »Aber ich hoffte darauf, Euch zu sehen.«
Er widmete ihr ein undurchdringliches Lächeln und gab ein wenig nach. »Vielleicht werdet Ihr das«, sagte er leise.
Text zweier Briefe des Comte de Saint-Germain an seinen Leibdiener Roger und seinen Majordomus Hercule, gleichzeitig mit der rechten und der linken Hand geschrieben und auf den 25. Oktober 1743 datiert:
Mein lieber Roger/Hercule:
Wie ich feststelle, muss ich Paris für drei, möglicherweise auch vier Tage verlassen. Die Angelegenheit ist einigermaßen delikat, und ich muss mich ihr in aller Privatheit widmen. Daher werde ich zu Pferde allein, ohne Begleitung oder Eskorte reisen.
Sollte man meine Abwesenheit kommentieren, mögt Ihr sagen, dass es dafür gute Gründe gibt, dass Ihr diese jedoch nicht preisgeben dürft, um unliebsame Auswirkungen an höheren Stellen zu vermeiden.
Sollte ich binnen fünf Tagen nicht nach Paris zurückgekehrt sein und Ihr bis dahin nicht von mir gehört haben, oder falls Ihr eine Nachricht ohne mein Siegel erhaltet, habt Ihr die
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