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Hotel van Gogh

Hotel van Gogh

Titel: Hotel van Gogh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Bechtle
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Leider hatte sie das aktuelle, das letzte von diesem Jahr, das sie am meisten interessiert hätte, in seiner Aktentasche, die er in Auvers dabei hatte, in Paris zurückgelassen.
    In den Tagebüchern hat sie ihren Onkel kaum wiedererkannt. Irgendwann verschwammen die Details zu einer diffusen Vorstellung von dem, was Arthur Heller in den zehn Jahren seit seinem Ausstieg aus dem Berufsleben in Deutschland durchgemacht haben musste. Dennoch, je mehr sie über sein Leben erfährt, umso weniger kann sie sich seinen Selbstmord erklären.
    Mehr als alles ärgert sie, dass Peter mit dieser lässig hingeworfenen Bemerkung, ihr Onkel werde an ihr hängenbleiben, recht behalten würde. So viel ist ihr inzwischen klar geworden. In mehrfacher Hinsicht: Denn der Blick, der sich für Sabine durch die Tagebücher in Hellers Privatleben geöffnet hat, ließ sie nicht unberührt. Und ein Testament, das sie aus der Verantwortung bringt, ist bisher nicht aufgetaucht. Es muss doch einen Anwalt geben, bei dem er sein Testament hinterlegt hat, denkt sie. Wenn sie nur seine Haushaltshilfe oder wen auch immer in der Wohnung erreichen könnte! Zwischenzeitlich muss man den Anrufbeantworter doch abgehört haben.
    Arthur Heller war, als er vor zehn Jahren nach Paris gezogen war, nicht viel älter als sie heute. Sie versucht sich in ihn zu versetzen, die unerfüllten Sehnsüchte zu verstehen, die er als erfolgreicher Unternehmer lange in sich unterdrückt hatte, und dann seinen Mut, dieser Bestimmung zu folgen, ungeachtet aller Hindernisse, die sich ihm in die Quere stellen würden.
    Drei Romane hat er geschrieben, und anscheinend zu jedem Buch eine neue Lebensgefährtin gefunden. Als lebte er im Schreiben eines Buches jeweils ein anderes Leben, das mit dem vorherigen nichts gemein hatte. Dann die Träume vom äußeren Erfolg, von der Zusage eines Verlegers oder eines Agenten. Nach den ersten Absagen nahm die Verzweiflung überhand. Am Ende schrieb er mit der Wut im Bauch. Bis er, an einem bestimmten Tiefpunkt angelangt, durchgedreht ist.
    Anders als ihr Onkel unterdrückt Sabine keine heimlichen Träume. Sie lebt ihr Leben, das sie sich so aufgebaut hat. Arthur Heller ist kein Vorbild. Sie beneidet ihn auch nicht, seine inneren Zwänge kann sie nicht nachempfinden. Oder macht sie sich nur etwas vor, fragt sie sich mit einem Mal, hat sie sich je ehrlich und offen dieser existentiellen Frage gestellt: Ist dein Leben, so wie es ist, richtig? Hast du überhaupt den Mut, dir diese Frage zu stellen?
    In Frankfurt herrscht dieselbe unerträgliche Hitze wie in Paris, man berichtet in der Zeitung schon von einer Sterbewelle dort. Nach der Landung ruft sie als Erstes in Hellers Wohnung an. Sie ist seltsam erregt, doch niemand beantwortet das Telefon. Sie wird Arthur Heller nicht los. Was bedeutet er für ihr Leben, warum die überraschend in seinen Tagebüchern geäußerte Sympathie ihr gegenüber, die er sich nie hatte anmerken lassen?
    Der Zwei-Falken-Verlag befindet sich in einer der herrschaftlichen Villen aus der Gründerzeit in der Myliusstraße. Eine gediegene, gepflegte Atmosphäre. Die Dame am Empfang behandelt sie zuvorkommend, wahrscheinlich nicht dieselbe, die sie gestern am Telefon abblitzen ließ. Sie haben auch allen Grund, ihr für ihr Kommen dankbar zu sein. Allerdings wird sie nach einigen Minuten Warten ungeduldig. Ich sitze hier nicht als aufgeregte Jungautorin, die dem Urteil des Verlegers entgegenzittert, denkt sie. Die Empfangsdame muss ihre Unruhe bemerkt haben.
    »Dr. Zapf weiß Bescheid, er wird Sie jeden Moment empfangen.«
    Eine junge Frau kommt vom Gang her auf sie zu. Kaum über dreißig, schätzt sie, mit kurzem, hoch stehendem rotem Haar und einer Nickelbrille. Sie trägt eine rosa ärmellose Bluse und einen langen Rock. Ihre Haut ein wenig ungepflegt Auf den ersten Blick nicht unbedingt Sabines Typ.
    »Guten Morgen, Frau Bucher, ich heiße Diana Weber-Block, ich bin die Cheflektorin. Ich werde Sie bei der Überarbeitung des Manuskripts unterstützen. Folgen Sie mir doch bitte ins Besprechungszimmer, Herr Zapf wird jeden Augenblick hinzukommen.«
    Auch nicht die feine Art, denkt sie, erst überredet der Verleger mich und dann schiebt er mich an seine Lektorin ab. Eine missmutige Stimmung erfasst sie. Warum habe ich mich auf dieses Spiel eingelassen?
    »Wir sind Ihnen zu besonderem Dank verpflichtet, Frau Bucher, Sie sind unsere einzige Hoffnung, das Buch noch bis zur Messe druckreif zu bekommen.«
    »Und was genau erwarten

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