Hotel van Gogh
den Islam.«
»Trotzdem, wir wären nicht die ersten. Sobald dein Schwager abgereist ist, komme ich nach Auvers. Dann sehen wir weiter.«
Die Vorstellung, ein paar Nächte mit Ziba, wieder ihren Körper, in Auvers oder vielleicht kommt sie auch zu mir nach Paris. Ein Stein auf dem anderen. Plötzlich stimmt die Richtung.
Einige Tage später ruft sie erneut an, völlig durcheinander.
»Es ist vorbei, ich habe meinem Schwager alles von uns gesagt!«
»Beruhige dich, was ist denn geschehen.«
»Die anderen Frauen im Haus hatten mich seit einiger Zeit gewarnt, aber ich habe sie nicht ernst genommen. Heute stellte er mich plötzlich einem Mann vor, einem in Dortmund lebenden Iraner, weil ich offensichtlich für Deutsche etwas übrig hätte. Ein Anhänger von Maryam Radjani und ein sehr angesehener Muslim dort, den er für mich ausgewählt hätte. Ich war darauf nicht vorbereitet. Als der Mann auf mich zutrat, wehrte ich ihn mit beiden Armen ab. Ich habe ihn weggestoßen und ihm gesagt, dass ich ihn unmöglich werde heiraten können, habe mich mit meinem Schwager, als er einzugreifen versuchte, gestritten, weder ihn noch einen anderen würde ich heiraten, weil ich seit langem ein Verhältnis mit dir hätte, dich liebte und zu dir ziehen würde. Ich hatte jede Kontrolle über mich verloren, habe ihn angeschrien, dass ich nicht weiter zulassen würde, mir mein Leben von ihm stehlen zu lassen. Jetzt wohne ich in der Zentrale unter dem Schutz von Maryam. Hier kann mir mein Schwager nichts anhaben. Aber ich will zu dir und immer bei dir bleiben!«
»Ziba, endlich, wie lange habe ich darauf gewartet.«
»Maryam weiß über alles Bescheid. In zwei Tagen ist das Projekt, an dem ich seit langem für sie arbeite, abgeschlossen. Dann werde ich Auvers für immer mit dir verlassen.«
»Ich komme morgen nach Auvers und hole dich dann übermorgen in aller Frühe in der Zentrale ab. Du kannst mich vorher jederzeit bei Gérard oder in dem kleinen Gasthaus erreichen.«
»Ich habe furchtbare Angst, und im selben Moment fühle ich mich unendlich erleichtert. Versprichst du mir, dass du mich nie verlassen wirst?«
Wenn ich mit Ziba nach Paris zurückkehre, liegt mit etwas Glück auch die Zusage des Zwei-Falken-Verlags vor. Mein neuer Lebensabschnitt nimmt feste Umrisse an. Ich liebe das Leben.
Am Nachmittag steht Justine vor der Tür, sie sieht müde und fertig aus, sie zittert.
»Vergessen wir, was war. Gilt dein Angebot noch, bei dir zu übernachten? Zwei oder drei Tage brauche ich das Zimmer, höchstens eine Woche? Ich könnte an Central Park South weiterarbeiten und mich mit Johanna van Gogh befassen, jedenfalls so weit du damit mittlerweile bist.«
Sie schaut mich flehend an, die Augen eines misshandelten Tiers. Als spekuliere sie mit meinem schlechten Gewissen. Ich hatte ihr das Zimmer ja angeboten, jedoch nun passt es nicht mehr in meine Pläne. Aber ich kann sie doch nicht zurück auf die Straße schicken, nicht nach dem, was hinter uns liegt. Wiederholt sich so die Geschichte des Drogenmädchens, wird sie mich in den Abgrund ziehen?
»Gut, du kannst das Zimmer hinten am Gang nehmen. Ich werde sowieso ein paar Tage verreisen.«
»Keine Sorge, du wirst mich nicht bemerken.«
Sie bewegt sich lautlos, wie ein Schatten in der Wohnung. Auch bei der Überarbeitung von Sarah hatte ich ihre Anwesenheit manchmal völlig vergessen. Nur wie wird Ziba reagieren? Aber das muss sie doch sehen, dass ich mit jemandem wie Justine nichts haben kann. Obgleich das nicht völlig stimmt.
Ein Schritt nach dem anderen. Ich werde meine Pläne ändern, mit Ziba erst ein paar Tage ans Meer fahren und dann zurückkommen, wenn Justine für immer verschwunden sein wird. Wohl ist mir bei der Sache nicht. Aber ich werde das schon hinbekommen.
Die Macherinnen
Es bereitet mir große Sorgen, mir sagen zu müssen:
Ich habe so viele Bilder und Zeichnungen gemalt,
ohne jemals etwas zu verkaufen.
Vincent van Gogh, Brief an Johanna van Gogh
vom 9. Mai 1889
1.
Ein Schlag folgte dem anderen. Am Ende kam es Johanna van Gogh vor, als befände sie sich im Nichts. Das Einzige, das ihr verblieben ist, sind die Verpflichtungen: das vaterlose Kind, die Wohnung in Paris und die Vielzahl unverkaufter, unverkäuflicher Gemälde aus Vincents Hinterlassenschaft.
Theos Tod war eine Erlösung, aber haben sich damit die Wolken verzogen?
Niemand hat sie vor dem Fluch der van Goghs gewarnt. Wird er als Nächstes ihren unschuldigen Sohn treffen, Vincent Willem, an den
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