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Hotel van Gogh

Hotel van Gogh

Titel: Hotel van Gogh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Bechtle
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betreffen. Dabei ist es doch von Anfang an eine deutsch-jüdische Liebesgeschichte, 1965, als die Schatten der Vergangenheit undurchdringlich schienen. Das beklemmende Gefühl, das unterschwellig bis heute weiterlebt, kennt Sabine selbst.
    Tief ins Lesen versunken, reißt sie das Klingeln ihres Handys aus dem Text. Sie ist mit mehr als der Hälfte durch und hat dabei alles um sich vergessen. Es ist Peter aus Sylt.
    »Du wolltest mir doch Bescheid geben, bevor du abfliegst. Hat der Flug Verspätung? Bist du noch am Flughafen?«
    »Ich bin in meiner Wohnung, lese das Manuskript meines Onkels. Wie spät ist es überhaupt? Drei Uhr schon, den Flug schaffe ich nicht mehr. Ich glaube, das war der letzte direkte Flug heute.«
    »Und das nennst du Urlaub?«
    »Jetzt muss ich mich wohl oder übel doch im Büro melden, damit meine Sekretärin herausfindet, wie ich heute noch zu dir nach Sylt komme.«
    »Langsam schaue ich mich schon mal nach Ersatz für dich um. Ich habe das Gefühl, nicht mehr mit dir rechnen zu können.«
    »Ganz im Gegenteil! Ich werde dem Verleger noch das Manuskript zurückbringen und damit sind meine Pflichten erfüllt. Übrigens ein überraschend gutes Buch.«
    »Also ich hoffe, es klappt. Gibt es in Auvers Neues?«
    »Sobald ich mit dem Text durch bin, rufe ich dort noch schnell an.«
    In Auvers teilt man ihr mit, dass Crosnier unterwegs sei, es habe mit ihrem Onkel zu tun, sie solle in einer Stunde nochmals anrufen. Sie wollte ihm die Zustimmung zur Einäscherung erteilen, aber ihm einfach eine entsprechende Nachricht zu hinterlassen und sich davonzuschleichen, das ist nicht ihre Art.
    Nachdem sie sich bei ihrer Sekretärin gemeldet hat, ruft sie Thilo Holzer an, einen Freund aus Studienzeiten, der nun als Gerichtsmediziner tätig ist. Sie ist erleichtert, als er selbst den Hörer abnimmt.
    »Thilo, ich habe da eine Sache, die an mir arbeitet. Mein Onkel in Paris hat Selbstmord begangen. Es gibt ein plausibles Motiv, nämlich dass er als erfolgloser Schriftsteller mit dem Selbstmord Aufsehen erregen wollte. Bisher allerdings fehlt ein Abschiedsbrief und es gibt keinerlei Hinweis, dass er depressiv war oder sonst vor einer hoffnungslosen Situation gestanden hätte.«
    »Wie hat er es denn gemacht?«
    »Er hat sich angeschossen, irgendwie hat er es dann noch in das Sterbehaus von van Gogh geschafft und ist dort in dessen Todeskammer verblutet. In Auvers, in der Nähe von Paris. Ziemlich mysteriös, wie du siehst.«
    »Das kann man sagen. Hat er sich in die Brust geschossen oder in den Rachen?«
    »In die Brust, aber das Merkwürdige daran, seitlich von links, dabei hat er das Herz verfehlt. So jedenfalls verstehe ich die bisherigen Ermittlungen.«
    »Nicht so einfach, mit einem Einschuss von links Selbstmord zu begehen. Stell dir das doch mal vor! Wie genau sieht der Einschusswinkel aus?«
    »Wir warten noch auf die endgültigen Ergebnisse. Die örtliche Polizei mutmaßt, dass er im letzten Augenblick, als es schon zu spät war, gezögert und deswegen das Herz verfehlt hat.«
    »Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen!«
    »Was sonst?«
    »Du musst eine bessere Erklärung finden. Ruf mich an, wenn du mehr Informationen hast. So wie du das beschreibst, scheint mir ein Selbstmord eher unwahrscheinlich.«
    »Thilo, dies ist genau wie bei van Gogh!«
    »Van Gogh ist ein in der Pathologie ziemlich bekannter Fall. Er hat die Waffe von vorne auf sich gerichtet und zu tief gezielt. Die Kugel saß genau unter dem Herz.«
    »Was kann es denn sonst gewesen sein?« Sabine hält den Atem an.
    »Denkbar ist, dass ihm jemand geholfen hat, quasi Sterbehilfe beim Selbstmord, und dass dann im letzten Augenblick etwas schiefgelaufen ist. Also halt mich auf dem Laufenden.«
    Sie blickt auf das Manuskript vor ihr. Ohne die Parallele zu van Gogh wäre Arthur Heller ein unbekannter toter Schriftsteller, in den kein Verlag sein Geld stecken würde.
    Der Verleger reagiert erstaunt, als sie ihm das Manuskript am Nachmittag wieder zurückbringt. Die Cheflektorin hat das Büro bereits verlassen, was Sabine nicht unlieb ist.
    »Sie haben doch auf Eile Wert gelegt! Also, ich schlage Folgendes vor: Ich stimme allen stilistischen und grammatischen Korrekturen zu. Allerdings mache ich dort, wo ihre Lektorin ganze Passagen herausstreicht, nicht mit. Das verstellt die Absichten des Autors. Wenn Sie damit leben können, sind wir uns einig.«
    »Ich danke Ihnen erst mal für Ihre Unterstützung, Frau Bucher. Meine Lektorin war

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