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Hotel van Gogh

Hotel van Gogh

Titel: Hotel van Gogh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Bechtle
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Ausstellung , schreibt sie Andries.
    Eine seit langem nicht mehr gekannte Hochstimmung. Zuversichtlich betrachtet sie die Bilder in ihrem Haus. Natürlich wird sich Durand-Ruel die erste offizielle Gesamtausstellung nicht entgehen lassen. Aufgeregt berichtet sie Theos Mutter und seiner Schwester Wil von ihren Plänen. Endlich die ersehnte Antwort von Andries. Ungeduldig reißt sie den Umschlag auf. Nach den ersten Zeilen stockt ihr der Atem.
    Meine liebe Schwester,
    gestern hat mich der Galerist Paul Durand-Ruel empfangen und ich habe ihm Dein Anliegen vorgetragen. Er hat sich natürlich an den Besuch in Eurer Wohnung erinnert und sich auch anerkennend über Vincent geäußert. Aber an eine Ausstellung in seinen Räumen sei nicht zu denken, sagt er, jedenfalls vorerst nicht, vielleicht in ein paar Jahren, wenn sich genügend Staub über die tragische Angelegenheit gelegt habe.
    Er fördere mittlerweile einige Impressionisten und glaube auch, dass der Durchbruch dieser Bewegung nicht mehr aufzuhalten sei. Man müsse allerdings noch ein paar Hindernisse beseitigen, bis ein breiteres Publikum dafür aufgeschlossen sei. Deswegen wäre momentan nichts schädlicher, als die Bewegung mit dem Anflug von Wahnsinn in Zusammenhang zu bringen, und noch schlimmer dem doppelten Wahnsinn von Vincent und Theo. Das müsse man unter allen Umständen im Interesse der anderen Künstler dieser Bewegung verhindern.
    Es tut mir leid, Dir keine bessere Nachricht geben zu können.
    Dein Dich liebender Bruder Andries
    Als hätte man ihr den festen Boden unter den Füßen entzogen. Die trostlose Bussumer Einsamkeit lastet bedrückender als je auf ihr. Hat so auch Theos und Vincents Wahnsinn begonnen? Es dauert Wochen, bis sie sich von dem Schlag erholt hat.
    Das Schicksal des Neuen, am Anfang stehen herbe Enttäuschungen. Als hätten das Vincent und Theo nicht zur Genüge erfahren.
    Dann eben nicht Durand-Ruel! Er ist schließlich nicht der Einzige.
    Wie Schuppen fällt es ihr von den Augen, natürlich, die Niederlassung der Galerie Goupils am Boulevard Montmartre, Theos alte Galerie, die unter seiner Leitung bereits einen gewissen Bekanntheitsgrad für die Impressionisten erlangt hatte. Nur noch diesen einen Versuch , fleht sie Andries an.
    Sofort schlägt ihre Stimmung um. Das sind sie Theo in seiner Galerie schuldig, den Künstler auszustellen, für den er sein Leben geopfert hat. Alles erscheint wieder möglich, Vincent wird seine Ausstellung bekommen. Er hat sich auf sie verlassen, und sie wird ihn nicht enttäuschen.
    Die Tage dehnen sich ins Endlose. Nach Wochen erhält sie endlich das ersehnte Schreiben von Andries. Diesmal kann es nur eine Antwort geben.
    Meine liebe Schwester,
    ich habe nun Theos ehemalige Galerie aufgesucht und dem neuen Leiter, einem Herrn Maurice Joyant, Dein Anliegen vorgetragen. Beim Gang durch die Galerie ist allerdings schnell jede Hoffnung verflogen. Nicht ein einziger Impressionist, kein Pissaro, Gauguin oder Monet. Herr Joyant hat auch keinerlei Sinn für die neue Malerei. Er hält die Impressionisten allesamt für künstlerische Randgestalten, unfähig und nicht willens, sich anzupassen. Allen voran Vincent, sein Wahnsinn spreche für sich selbst.
    Nicht dass es mir eine Genugtuung bereiten würde, durch diese zweite Ablehnung in meiner früheren Ansicht bestätigt zu sein, aber ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, weitere Versuche zu unternehmen.
    Wie immer, Dein Bruder Andries
    Sie versteht Vincent besser als je zuvor. Einmal mehr erweist sich die eingefahrene Maschinerie dem Neuen gegenüber als mächtiger. Weil er es wagte, das Mittelmaß des Kunstbetriebs und die Borniertheit der dafür Verantwortlichen an den Pranger zu stellen. Kein Wunder, dass ihn das in den Wahnsinn getrieben hat. Irgendwann wandelt sich ihre Enttäuschung in Wut, gegen dieses Paris und insbesondere gegen Andries. Hat er wirklich alles versucht, um die mächtigen Galeristen umzustimmen? Sie hätte niemals auf ihn setzen dürfen, seine Rechthaberei sitzt zu tief, als dass er ihr den Triumph gegönnt hätte. Um Vincent und Theo ging es ihm von Anfang an nicht.
    Warum nicht aufgeben unter diesen Umständen? Der Kunsthandel ist Männersache, das weiß sie von Theo. Allein die Schwierigkeit, die Galeristen auf Vincent einzustimmen, und dann sie als Frau.
    Es soll nicht sein.
    Aber wenn sie vor der Aussichtslosigkeit ihres Unterfangens kapituliert, denkt sie an Vincent mit seinem unumstößlichen Glauben in sein Werk. Ich bin sein

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