Hotel
Herumzeigen beim Empfang und sonstwo.
Das einzig Vernünftige für ihn wäre, seine Sachen zu packen und sich davonzumachen. Wenn er sich beeilte, konnte er in einer knappen Stunde aus der Stadt sein.
Nur, ganz so einfach war es eben nicht. Er hatte Geld investiert – der Wagen, das Motel, das Hotelzimmer, das Bourbon-Street-B-Mädchen. Im Moment war er knapp bei Kasse. Er mußte aus New Orleans einen Profit herausschlagen – einen anständigen Profit. Denk nach, sagte sich Keycase, denk gut nach.
Bisher hatte er die Dinge nur von der schwärzesten Seite betrachtet. Man konnte sie aber auch anders sehen.
Selbst, wenn die Ereignisse sich so abwickelten, wie er es sich ausgemalt hatte, würde es mehrere Tage dauern, bevor die Polizei etwas unternahm. Sie war – laut Bericht in der Morgenzeitung – damit beschäftigt, einen Fall von Fahrerflucht aufzuklären. Der Unfall hatte zwei Todesopfer gefordert, die Bevölkerung war sehr erregt, und sämtliche verfügbaren Polizeidetektive arbeiteten mit Hochdruck an der Ermittlung des Täters. Es war nicht wahrscheinlich, daß die Polizei kostbare Zeit opfern würde, da im Hotel schließlich gar kein Verbrechen verübt worden war. Irgendwann würde sie sich natürlich auch damit befassen. Das tat sie immer.
Welche Frist blieb ihm also noch? Bei vorsichtiger Schätzung ein Tag, vielleicht sogar zwei. Er dachte angestrengt nach. Das würde reichen.
Bis zum Freitag morgen konnte er ordentlich abgestaubt haben und, ohne eine Fährte zu hinterlassen, über alle Berge sein.
Die Entscheidung war gefallen. Was jetzt? Sollte er in sein Zimmer in der achten Etage zurückkehren und alle Aktionen auf morgen verschieben, oder sollte er weitermachen? Er war stark versucht, das Ganze für heute abzublasen. Wenn er ehrlich war, mußte er sich eingestehen, daß der Zwischenfall ihn mehr erschüttert hatte als sonst einer zuvor. Sein Zimmer erschien ihm wie ein sicherer geschützter Hafen.
Aber dann raffte er sich grimmig entschlossen auf. Er hatte irgendwo gelesen, daß man Militärpiloten, die nicht durch eigenes Verschulden Bruch gemacht hatten, sofort wieder in die Luft schickte, bevor sie die Nerven verloren. Er würde dasselbe Rezept befolgen.
Der erste Schlüssel hatte sich als Mißerfolg erwiesen. Das war vielleicht ein Omen – ein Wink des Schicksals, daß er es in umgekehrter Reihenfolge probieren und mit dem letzten anfangen sollte. Mit der Nummer 1062, den er von dem Mädchen aus der Bourbon Street bekommen hatte. Noch ein Omen! – und diesmal ein gutes – seine Glücksziffer, die Zwei. Die einzelnen Stockwerke zählend, stieg Keycase die Personaltreppe hinauf.
Stanley, der Mann aus Iowa, der auf den ältesten Neppschwindel der Bourbon Street hereingefallen war, lag im Bett und schlief. Er hatte lange auf die breithüftige Blondine gewartet, zuerst voller Zuversicht, dann, als die Stunden verstrichen, mit sinkender Hoffnung, bis ihm schließlich schwante, daß man ihn hereingelegt hatte, und wie hereingelegt! Endlich, als er seine Augen nicht mehr offenhalten konnte, rollte er sich herum und versank in einen tiefen Schlaf.
Er hörte weder wie Keycase hereinkam, noch wie er sich vorsichtig und systematisch durch das Zimmer bewegte. Er schnarchte friedlich, als Keycase seine Brieftasche plünderte und Uhr, Siegelring, goldenes Zigarettenetui, vergoldetes Feuerzeug und diamantene Manschettenknöpfe einsackte. Er rührte sich auch nicht, als Keycase auf leisen Sohlen davonschlich.
Mr. Stanley aus Iowa erwachte erst am späten Vormittag, und es dauerte noch eine Stunde, bevor er – behindert von einem mordsmäßigen Kater – wahrnahm, daß man ihn bestohlen hatte. Als ihm das ganze Ausmaß seines Elends aufging – dies neue Unglück, der Katzenjammer, der kostspielige und erfolglose Barbesuch –, sank er in einen Sessel und greinte wie ein Kind.
Keycase hatte seinen Raub inzwischen längst in Sicherheit gebracht.
Nach seinem erfolgreichen Fischzug in der Nummer 1062 stellte Keycase fest, daß es zu hell wurde, um noch einen Coup zu riskieren. Er kehrte in sein Zimmer zurück und zählte das Geld. Es belief sich auf 94 Dollar, in der Hauptsache Fünfer und Zehner, und alles gebrauchte Scheine, so daß sie nicht identifiziert werden konnten. Zufrieden verstaute er sie in seiner Brieftasche.
Die Uhr und die anderen Wertgegenstände stellten ein größeres Problem dar. Er hatte zuerst geschwankt, ob er sie überhaupt mitgehen lassen sollte, war aber seiner
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