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Hotzenwaldblues

Hotzenwaldblues

Titel: Hotzenwaldblues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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Schultern.
    »Machen Sie ihnen Feuer unterm Hintern.«
    »Und was machen Sie?«
    »Ich werde mir einen genaueren Überblick über die Motivlage in
dieser ganzen vermaledeiten Angelegenheit verschaffen. Sage mir, wer ein Motiv
hat, und ich sage dir, wer der Täter sein könnte. Wenn wir schon sonst nicht
weiterkommen.«
    »Na dann, viel Vergnügen.«
     
    »Natürlich macht mich das manchmal wütend.« Peter Zweig
sah eigentlich nicht wütend aus, fand Iris, eher resigniert. Sie saß dem Sprecher
der Bürgerinitiative Atdorf im Café Heimelig in Hänner gegenüber. »Fragen Sie
mich nicht, wer schon alles hier war. Die Fotografen von der dpa, fürs Radio
die Deutsche Welle und SWR 2. Dann die Fernsehleute, TV -Südbaden, Arte, ARD , ZDF , Spiegel  TV , RTL und so weiter, teils sogar mehrmals. Oft läuft das
dann so: Anruf um sechzehn Uhr vom SWR , sie
würden dringend ein Statement für die Tagesthemen benötigen und ein Team aus
Freiburg losschicken. Das ist dann um siebzehn Uhr dreißig da und dreht zwanzig
Minuten. Im Winter bei minus zehn Grad am Hornbergbecken oder im Nebel ohne
Sicht, inzwischen in praller Hitze.«
    »Na, da haben Sie ja mächtig zu tun.«
    Zweig lachte freudlos. »Zum Glück bin ich Rentner. Stellen Sie sich
das vor: Das Team vom MDR drehte fürs ARD -Magazin ›Brisant‹ bei der Bürgerversammlung in
Wehr. Der Redakteur fand die Aussagen, die den Bürgern dort geboten wurden,
teilweise so interessant, dass er mich danach anrief und sagte, er würde das
Material nicht löschen, sondern archivieren, damit er in der Angelegenheit
später noch einmal nachhaken und die Leute mit ihren eigenen Aussagen
konfrontieren könne. So berichtete zum Beispiel ein vereidigter Gutachter der
Schluwe, man hätte im Stollen Arsenwerte in Höhe von maximal dreihundert
Milligramm gefunden. Das ist nachweislich nicht richtig, es war mehr. Auch zur
Erdbebengefahr wurden widersprüchliche Aussagen gemacht. Oft waren ganze
Schulklassen, meist Abi-Klassen, vor Ort, meist am Hornbergbecken, um sich zu
informieren. Auch einzelne Schüler hatten Bürgerinitiativen und/oder die
Energiewende als Thema für ein Referat und wurden von mir mit Material
versorgt. Sie werden es nicht glauben, aber teilweise hatten wir einen echten
Stau an Anfragen und mussten uns aufteilen. Vier TV -Teams
an drei Tagen! Es ist verrückt.«
    Iris dachte darüber nach, ob sie Zweig zum Thema Arsenwerte
weiterbefragen sollte? Nein, vorläufig besser nicht. Sie durfte ihren Einsatz
als verdeckte Ermittlerin nicht gefährden. Es war ja nicht auszuschließen, dass
er etwas mit dem Wächter zu tun hatte. Vorläufig war
eigentlich überhaupt nichts auszuschließen.
    Eine Frage konnte sie sich aber dann doch nicht verkneifen. »Sie
sagten, dass Sie das alles schon wütend macht. Glauben Sie, dass es zu Gewalt
kommen könnte?«
    Er kniff die Augen zusammen. »Was soll das denn? Ich hatte Sie für
eine vernünftige Frau gehalten. Wir sind gesetzestreue Bürger und keine
Chaoten. Wir kämpfen mit Argumenten, nicht mit Steinen oder Waffen.«
    »Das weiß ich doch«, versuchte Iris, ihn zu beschwichtigen. »Aber in
Stuttgart gehen auch gesetzestreue Bürger auf die Straße. Und trotzdem gab es
Verletzte.«
    »Ach, und wessen Schuld war das?«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Ich glaube jedenfalls nicht, dass die Gewalt von den Demonstranten
ausgegangen ist.«
    »Glauben Sie, von der Polizei?«
    Zweig zuckte die Schultern. »Was weiß ich. Jedenfalls hört man immer
wieder von Undercover-Polizisten oder Verfassungsschützern, die Aggression
schüren, um die Projektgegner zu diskreditieren.«
    »Und Sie meinen, das könnte auch hier so sein?«
    »Das hab ich nicht gesagt. Hier hätten sie’s schwerer, irgendwelche
Krawallmacher einzuschleusen. Hier kennt noch jeder jeden.«
    Zweig hatte sich mehr und mehr in Rage geredet. Iris fand, es war an
der Zeit, die Atmosphäre etwas zu entspannen.
    »Ich beneide Sie nicht. Ist es für einen Laien nicht schwierig, sich
in all diese speziellen Themen einzuarbeiten?«
    Es wirkte. »Allerdings. Wie ich schon sagte, glücklicherweise bin
ich Rentner. Und nicht alle Journalisten sind so fair wie die lokalen
Medienvertreter. Wissen Sie, manchmal glaube ich, die Presseleute hören gar
nicht richtig zu. Die haben da so ein Bild von Ökospinnern im Kopf, die wegen
ein bisschen Berg die Energiewende blockieren. Dabei geht es uns doch gar nicht
darum. Wir sind nicht gegen etwas, sondern für etwas. Für unsere Heimat.

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