Hotzenwaldblues
Wir
wollen sie nicht den Geschäftemachern opfern. Die graben ein Loch in unseren
Berg, um unter dem Deckmantel ökologisch produzierter Energie weiter Profit mit
Atomstrom zu machen. Wissen Sie, man kann ein AKW zu Schwachlastzeiten ja nicht einfach herunterfahren. Die Stromkonzerne haben
auch gar kein Interesse daran, weniger Atomstrom ins Netz abzugeben. Es darf
aber bisher nur so viel produziert werden, wie auch verbraucht wird, und nun
kommt der Strom aus den Erneuerbaren hinzu. Anders sieht die Sache aus, wenn
man den Strom speichern kann. Da kommen die Stauseen ins Spiel. Mal abgesehen
davon, dass durch das Hochpumpen viel Energie verloren geht, etwa dreißig
Prozent, gibt es unserer Meinung nach in nicht allzu ferner Zukunft
Alternativen auch zur längerfristigen Stromspeicherung. Zum Beispiel die
Erzeugung von Methan mit dem überschüssigen Strom. Das könnte im Erdgasnetz
gespeichert werden, da ist noch genug Kapazität. Wenn Sie wollen, kann ich
Ihnen die entsprechenden Zahlen heraussuchen. Aber die Leute, die zu uns
kommen, haben halt ihr Bild im Kopf. Es ist schwer, etwas dagegen auszurichten.
Immerhin werden wir immer mehr. Wie man an Ihnen sieht. Ich freue mich, dass
Sie unserer Initiative beitreten wollen.«
»Danke, dass Sie sich bereiterklärt haben, mich über die
Hintergründe und die Arbeit der Bürgerinitiative zu informieren. Wenn es um die
Heimat geht …«, begann Iris salbungsvoll. »Das Schluchseewerk gehört doch
etwa zu gleichen Teilen E n BW und RWE , sehe ich das richtig?«
»Ja, und bei E n BW hat sich das Land Baden-Württemberg als letzte Amtshandlung von Stefan Mappus
kurz vor seiner Abwahl für viel Geld eingekauft, nachdem einer seiner Vorgänger
den Konzern billig verschleudert hatte, um Geld in die Landeskassen zu
bekommen. 2000 war das, die rund einundzwanzig Prozent des Landes gingen damals
für etwa 2,4 Milliarden an Électricité de France, also EDF .«
»Und nun, nach dem beschlossenen Atomausstieg, zahlen halt mal
wieder die Steuerzahler die Zeche. Wollten Sie das sagen?«
Zweig lachte bitter. »Ich hoffe, da ist noch nicht das letzte Wort
gesprochen. Nun, da wir eine rot-grüne Regierung haben.«
»Bahnt sich durch den Aktien-Rückkauf nicht ein Verlustgeschäft für
das Land an? Nach dem Atommoratorium vom März sind ja auch die beiden AKW s Philippsburg I und Neckarwestheim I
betroffen, die meines Wissens nicht mehr ans Netz gehen sollen. Spricht das
nicht für den Bau weiterer Speicherkapazitäten?«
Zweig nickte. »Ja, natürlich. Wenn denn sichergestellt werden
könnte, dass der Strom zum Hochpumpen nicht aus einem AKW stammt. In Frankreich laufen die AKW s auf jeden
Fall weiter. Das ist das eine.«
»Und das zweite?«
»Muss es denn hier sein, in dieser Region, in der sowieso schon so
viele Speicherkapazitäten existieren? Ich meine, es ist doch nicht gerecht,
wenn nur ein einziger Flecken Erde darunter leiden soll. Oder glauben Sie an
die großspurigen Versprechungen, dass das Hornbergbecken II bei Atdorf und das überflutete Haselbachtal sich zu
Touristenmagneten entwickeln werden, wenn man da noch nicht mal baden kann,
weil es wegen der stark schwankenden Wasserstände viel zu gefährlich ist?
Außerdem haben die Bad Säckinger meiner Ansicht nach allen Grund, um ihre
Heilquellen zu bangen, auch wenn das immer abgestritten wird. Wir sehen doch
beim Abhau, was schon Sondierungsbohrungen anrichten können. Da drohen erste
Quellschüttungen zu versiegen. Was werden erst die Bagger- und Bauarbeiten für
einen künstlichen See oberhalb des Ortes anrichten! Und auch der Bergsee in
Richtung Günnebach, der von Kurgästen und Einheimischen ja nun wirklich als
Erholungsgebiet genutzt wird, ist meiner Ansicht nach gefährdet, wenn darüber
der Haselbachstausee entsteht. Wenn das schiefgeht, sind viele Arbeitsplätze im
Bäderbetrieb futsch. Da ist der Schwarzwaldverein übrigens ganz unserer
Meinung. Die Leute hier vor Ort jedenfalls. Beim Gesamtverein, und ich fürchte,
auch bei den Landesgrünen, sieht das anders aus. Da haben wir nicht so viel
Unterstützung. Hier, die hiesigen Ortsgruppen des Schwarzwaldvereins haben eine
Liste mit Forderungen vorbereitet, als Ausgangsposition für den Runden Tisch.
Wollen Sie mal lesen?«
»Zuerst hab ich noch Fragen. Verstehe ich das richtig, gibt es im
Schwarzwaldverein intern verschiedene Meinungen?«
»Ja, und sie prallen teilweise heftig aufeinander. Leider.«
»Der örtliche Schwarzwaldverein hat sich im
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