Hotzenwaldblues
Raumordnungsverfahren
aber doch bereits gegen den Bau des Pumpspeicherwerks ausgesprochen.«
»Stimmt, unsere Bedenken und Einwände bestehen nach wie vor. Wir
sind der Ansicht, dass das öffentliche Interesse an einer sicheren
Energieversorgung im Vergleich zu dem am Erhalt einer intakten Natur und
Landschaft in dieser Region nicht eindeutig überwiegt. Da können die noch so
oft sagen, dass es nirgendwo sonst eine solche Fallhöhe gibt. Durch die
Eingriffe gehen hundertvierzig Hektar naturnahe Schwarzwaldlandschaft mit
wichtigen Schutz-, Nutz- und Erholungsfunktionen unwiederbringlich verloren.
Und der Rückbau der Anlagen ist unmöglich, wenn sich das Projekt infolge der
Entwicklung alternativer Speichertechniken als überholt erweisen sollte. Wir
fürchten ums Grundwasser und haben Zweifel an der Erdbebensicherheit, besonders
bezüglich des Staudamms im Haselbachtal. Die Baupläne für den Staudamm
beziehungsweise die Staumauer des Haselbeckens wurden in der Vergangenheit
immer wieder geändert, und das wohl aus gutem Grund. Ich glaube, das ist
Ausdruck derselben Unsicherheit bei den Planern. Das steht darum auch alles in
diesem Papier.«
Iris sah auf. »Tatsächlich? Können Sie mir das kopieren?«
Zweig schaute sie prüfend an, nickte aber schließlich. »Das ist
allerdings intern. Wir müssen im Ortsverein erst noch über die Stellungnahme
abstimmen. Also bitte nicht weitergeben. Versprochen?«
»Versprochen. Hoch und heilig. Noch etwas. Meines Wissens gibt es in
den betroffenen Hotzenwaldgemeinden nicht nur Gegner, sondern auch jede Menge
Befürworter des Pumpspeicherwerks. Haben nicht die Gemeinderäte von Rickenbach
und Herrischried zugestimmt, als es um das Konzept für ein neues Wasser-
management ging? Und bei den Umfragen in der Bevölkerung hat sich doch auch
keine kategorische Ablehnung ergeben.«
»Mal abgesehen davon, dass einige der sogenannten Volksvertreter als
Mitarbeiter der Schluwe eigentlich befangen gewesen wären, wie sich später
herausgestellt hat …«
»Und die Einwohner?«
Zweig lachte bitter. »Es gibt bereits eine ganze Reihe von Wohnungen
in der Umgebung der Baustelle, die explizit den Monteuren und Ingenieuren zur
Untermiete angeboten werden sollen, die zum Bau in die Gegend kommen. In dem
Herrischrieder Ortsteil Atdorf selbst gibt es ja nicht viele Häuser.«
»Ich habe gehört, dass viele Waldbesitzer dem Schluchseewerk ihre
Flächen angeboten haben. Ist das nicht auch ein Zeichen von Akzeptanz?«
»Das behaupten die vom Schluchseewerk gerne. Dabei wollen die Leute
auf diese Weise bloß ihre unrentablen Waldgebiete loswerden. Andere sind ganz
heiß darauf, ihr Erbe zu versilbern, bevor sie es überhaupt haben. In einem
Fall kam es deswegen sogar zu einem ziemlich heftigen Familienstreit. Da ist
ein alter Mann mit einer Schrotflinte auf seinen Schwiegersohn losgegangen. Das
ist damals unter den Tisch gekehrt worden, der Schwiegersohn arbeitet nämlich
bei der Schluwe.«
»Sprechen Sie am Ende von Joseph Kohlbrenner und dem Kohlbrennerhof?«
»Woher wissen Sie das?«
»Nun ja, man hört so allerlei. Auch, dass Paul Zumkeller von Joseph
Kohlbrenner einige Flächen für seinen Reiterhof gepachtet hatte und nun im
Falle eines Verkaufs vor dem Aus steht.«
»Paul ist ganz verzweifelt. Er sagt, bei seinen Schulden kann er es
sich nicht leisten, das komplette Futter zu kaufen, und das Land erwerben kann
er schon gar nicht. Hinzu kommt der Baulärm, wenn der Abhau abgetragen wird.
Das ist sicherlich nicht gut für die Reittherapie. Aber er wird schon einen Weg
finden. Paul Zumkeller ist keiner, der schnell aufgibt.«
»Der alte Joseph Kohlbrenner ist auch keiner, der schnell aufgibt,
wie mir scheint. Ich bin ihm mal begegnet.«
»Allerdings, das können Sie laut sagen. Er hat Paul als jungen Mann
zur Herrischrieder Feuerwehr geholt, wussten Sie das? Als Joseph Kohlbrenner
mitbekommen hat, dass sein Schwiegersohn den Hof ans Schluchseewerk
verscherbeln will, ist er explodiert, hat seine alte Schrotflinte geschnappt
und ist ihm hinterher. Zum Glück war das ein vorsintflutliches Teil, jedenfalls
ist die Flinte nicht losgegangen. Soweit ich weiß, haben Tochter und Schwiegersohn
den alten Mann vor die Wahl gestellt: Entweder sie erstatten Anzeige und er
geht wegen Mordversuchs ins Gefängnis, oder er verhält sich ruhig und geht ins
Altenheim. Letzteres hat er dann offensichtlich vorgezogen.«
»Und woher wissen Sie das alles?«
»Von Paul Zumkeller. Er hat es damals
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