House of Night 7. Verbrannt
sehen, wie das kleine blaue Auto auf die Straße einbog.
»Scheiße aber auch«, knurrte Stevie Rae.
Rephaims scharfe Augen glitten zum östlichen Horizont, der bereits leicht morgengrau wurde.
»Du musst zurück in die Tunnel.«
»Geht nich. Lenobia und die anderen kommen doch wie die Feuerwehr angesaust, wenn ich nich bei Sonnenaufgang zurück bin.«
»Doch, flieh unter die Erde. Ich werde zurück zum Museum gehen – dich allein lassen. Dann können deine Freunde dich holen und in Sicherheit bringen.«
»Und wenn Dallas geradewegs zum House of Night düst und allen brühwarm das mit uns erzählt?«
Rephaim zögerte nur einen Augenblick lang. »Dann tu, was du tun musst. Du weißt, wo du mich findest.« Und er drehte sich um.
»Nimm mich mit.«
Bei ihren Worten erstarrte er. Er konnte sich nicht zu ihr umwenden. »Es ist fast Morgen.«
»Du bist doch wieder gesund, oder?«
»Ja.«
»Bist du stark genug, um zu fliegen und mich zu tragen?«
»Ja.«
»Dann nimm mich mit zum Gilcrease. Ich wette, der alte Kasten hat ’nen Keller.«
»Was ist mit deinen Freunden – den anderen roten Jungvampyren?«
»Ich ruf Kramisha an und sag ihr, dass Dallas durchgedreht ist und ich in Sicherheit bin, aber nich in den Tunneln, und dass ich morgen alles erkläre.«
»Wenn sie erfahren, dass es mich gibt, werden sie glauben, du zögst mich ihnen vor.«
»Ich zieh’s nur vor, mir ’n bisschen Zeit zum Nachdenken zu nehmen, bevor ich die miese Suppe auslöffel, die Dallas mir einbrockt«, sagte sie. Dann fügte sie in viel sanfterem Ton hinzu: »Außer, du willst nich, dass ich mit dir komme. Du kannst auch wegfliegen – von hier verschwinden –, dann brauchste dir keine Sorgen zu machen, wenn hier demnächst die Hölle losbricht.«
»Bin ich nun dein Gefährte oder nicht?«, entfuhr es Rephaim, bevor er sich daran hindern konnte.
»Ja. Du bist mein Gefährte.«
Er merkte erst, dass er den Atem angehalten hatte, als dieser ihm in einem langen, erleichterten Seufzer entfloh. Er breitete die Arme aus. »Dann solltest du mit mir kommen. Ich werde dafür sorgen, dass du heute ungestört ruhen kannst.«
»Danke«, sagte Rephaims Hohepriesterin und trat in seine Arme. Er hielt sie fest an sich gepresst, und seine mächtigen Schwingen hoben sie beide in den Himmel.
Rephaim
Stevie Rae behielt recht: Die alte Villa besaß einen Keller. Die Wände waren aus Stein gemauert und der Boden bestand aus festgestampftem Lehm, trotzdem war er erstaunlich trocken und gemütlich. Mit einem dankbaren Seufzer setzte sich Stevie Rae mit überkreuzten Beinen hin, den Rücken gegen das Mauerwerk gelehnt, und zog ihr Handy heraus. Rephaim stand etwas unsicher daneben, während sie die Jungvampyrin namens Kramisha anrief und dieser hastig und oberflächlich erklärte, warum sie heute nicht in die Schule zurückkehren würde:
Dallas ist total durchgeknallt … dem ist wohl bei all seinen Stromschlägen ’ne Sicherung rausgeflogen … hat mich auf dem Weg ins House of Night aus Zoeys Auto geschmissen … nee, mir geht’s gut … ich schau, dass ich am Abend zurückkomm …
Da er sich wie ein Eindringling vorkam, überließ er sie für den Rest des Gesprächs sich selbst und kehrte ins Dachgeschoss zurück, wo er unruhig vor seinem Nest im Wandschrank auf und abging.
Er war müde. Obgleich er wieder vollständig geheilt war, hatte der Wettlauf gegen das Sonnenlicht mit Stevie Rae im Arm seine Kraftreserven aufgezehrt. Er sollte sich in den Wandschrank zurückziehen und sich den Tag über ausruhen. Stevie Rae würde den Keller erst bei Sonnenuntergang wieder verlassen.
Sie
konnte
ihn erst dann verlassen.
Aber wenn ihr nun während dieser Zeit etwas zustieß? Sicher, Dallas, der als roter Jungvampyr das Tageslicht ebenfalls meiden musste, würde ihr erst in der Nacht wieder gefährlich werden. Aber wenn ein Mensch nun über sie stolperte?
Langsam raffte Rephaim die Decken und Nahrungsvorräte zusammen und trug sie hinunter in den Keller. Mittlerweile war der Tag schon voll erblüht. Stevie Rae hatte längt aufgehört zu telefonieren und lag zusammengerollt in einer Ecke. Sie rührte sich kaum, als er eine Decke über sie breitete. Dann machte er es sich neben ihr bequem. Nicht so dicht, dass sie sich berührten, aber auch nicht so weit weg, dass sie ihn nicht gleich sehen würde, wenn sie erwachte. Und er achtete darauf, dass er zwischen ihr und der Tür lag. Wenn jemand hereinkäme, würde er erst an ihm vorbei müssen, um
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