House of Night 7. Verbrannt
er mich durchdringend an, und ich erstarrte über die Trauer, die ich in seinen Augen sah und über die Erinnerung daran, dass ich einst geglaubt hatte, dort Menschlichkeit, Freundlichkeit, ja sogar Liebe zu sehen.
Ich hatte mich so geirrt.
Und wegen meines Irrtums war Heath gestorben.
Dann wandte Kalona den Blick von mir ab und sah Stark an, weil mein Krieger anfing, ihn zu provozieren.
Nein! Oh Göttin, bitte mach, dass er still ist. Bitte mach, dass er zu mir zurückflieht!
Aber Stark schien es zu gefallen, Kalona zu reizen. Er würde nicht still sein, und er floh nicht. Entsetzen packte mich, als Kalona den Speer aus dem Himmel pflückte. Und dann frästen seine Schwingen ein Loch in den Boden, und er und Stark verschwanden in dessen Schwärze.
In diesem Moment wurde mir klar, dass jetzt auch Stark meinetwegen sterben würde.
»Nein!«
Aus meinem tiefsten Innern, wo alles leer und hoffnungslos und rastlos war, stieg ein tonloser Schrei auf. Ich musste rennen – mich bewegen –, dem entkommen, was hier geschah.
Ich verkraftete das nicht. Es war nicht mehr genug von mir da, um es zu verkraften.
Aber wenn ich es nicht verkraftete, würde Stark sterben.
»Nein.« Diesmal war es kein geisterhafter, tonloser Schrei. Sondern meine Stimme –
meine
Stimme und nicht das furchtbare ich-bin-nicht-da-Zeug, das die ganze Zeit aus meinem Mund gekommen war.
»Stark – darf – nicht – sterben.« Ich kostete die Worte aus, folgte ihrer Form und Vertrautheit, hörte mir selbst zu, und dann trat ich aus dem Hain heraus und eilte zu dem Loch im Boden, in dem mein Krieger verschwunden war.
Als ich davor stand, sah ich hinab. In der Mitte der Grube standen sich Stark und Kalona gegenüber. Stark hielt Kalonas finsterem Speer ein hell glänzendes Schwert entgegen.
Da erkannte ich, was das Loch in Wirklichkeit war. Es war eine Arena. Kalona hatte eine Arena mit hohen, glatten, schlüpfrigen Wänden erschaffen – Wänden, die man nicht erklettern konnte.
Stark saß in der Falle. Jetzt konnte er nicht mehr wegrennen, selbst wenn er sich doch noch entschließen sollte, auf mich zu hören. Unmöglich zu fliehen. Gewinnen konnte er auch unmöglich. Und Kalona würde sich nicht damit zufriedengeben, Stark ein bisschen zu vermöbeln – oder auch gründlich zu vermöbeln. Kalona wollte Stark töten.
Als Stark und Kalona sich einander zuwandten, drohte die rastlose Dumpfheit mich wieder zu überwältigen. Ich bewegte aber nur die Beine und blieb dort stehen, wo ich die beiden Gegner sehen konnte, die sich in der Arena umkreisten, als – unglaublich! – Stark einen Ausfall machte.
Mit einem grausamen Lachen wehrte Kalona das Schwert durch eine kleine Speerbewegung ab, und so blitzschnell, dass Stark es unmöglich hätte kommen sehen können, klatschte er ihm in wilder, höhnischer Verachtung die offene Hand ins Gesicht. Getrieben von seinem eigenen Schwung stolperte Stark ungeschickt an dem Unsterblichen vorbei und fiel zu Boden, die Hände auf die Ohren gepresst, als hoffte er, so den Schmerz in seinem Kopf zu lindern.
»Ein Wächter-Claymore. Wie amüsant. Du glaubst also, du könntest mit denen mithalten?«, fragte Kalona, während Stark sich aufrappelte und ihn wieder mit erhobenem Schwert bedrohte.
Blut sickerte Stark aus Ohren, Nase und Mund und bildete scharlachrote Rinnsale auf seinem Kinn und Hals. »Ich
glaube
gar nichts. Ich
bin
ein Wächter.«
»Unmöglich. Ich kenne deine Vergangenheit, Junge. Ich habe gesehen, wie du dich der Finsternis ergeben hast. Erzähl das mal den Wächtern und schau dann, ob sie dich noch haben wollen.«
»Die einzige Person, die bestimmen kann, ob ich ein Wächter sein soll oder nicht, ist meine Königin, und sie weiß alles über mich und meine Vergangenheit.«
Ich musste zusehen, wie Stark sich wieder auf Kalona stürzte. Mit verächtlichem Grinsen wischte dieser mit seinem Speer die Klinge beiseite. Diesmal schlug er Stark mit der geschlossenen Faust, und der wuchtige Hieb brach Stark die Nase, riss ihm beide Wangenknochen auf und warf meinen Krieger auf den Rücken.
Hilflos und mit angehaltenem Atem sah ich weiter zu. Jeden Moment erwartete ich Kalonas Todesstoß.
Aber der Unsterbliche tat nichts außer zu lachen, während Stark mühsam wieder auf die Beine kam. »Zoey ist keine Königin. Dazu ist sie nicht stark genug. Sie ist nichts als ein schwaches Mädchen, das zuließ, dass der Tod eines einzigen Menschenjungen es völlig zerbrach.«
»Auch da liegst du
Weitere Kostenlose Bücher