House of Night 7. Verbrannt
offene Lebensschuld mit sich herumzutragen.«
»Klar, kapier ich, aber was war mit heute Nacht?«
»Heute Nacht?«
»Du hast mir Kraft geschickt und mich zu dir gerufen. Wenn du die Macht zu so was hast, warum hast du nicht stattdessen die Prägung gebrochen? Dann hättest du auch nich mehr leiden müssen.«
Er ließ das Sandwich sinken, und sein scharlachfarbener Blick bohrte sich in ihren. »Rede dir nicht ein, ich sei etwas, was ich nicht bin. Ich habe Jahrhunderte in der Finsternis gelebt. Das Böse war mein ständiger Begleiter. Ich bin an meinen Vater gebunden. Er ist von einem Zorn erfüllt, der gut und gern diese Welt zu verderben vermag, und wenn er zurückkehrt, ist es mir bestimmt, wieder an seine Seite zu treten. Sieh mich, wie ich bin, Stevie Rae. Ich bin ein Albtraum, dem durch die Macht von Zorn und Gewalt Leben eingehaucht wurde. Ich wandle unter den Sterblichen, aber niemals werde ich so sein wie sie – ich bin einzigartig. Nicht unsterblich und auch kein Sterblicher, weder Mensch noch Tier.«
Stevie Rae nahm seine Worte tief in sich auf. Sie wusste, er war radikal, kompromisslos ehrlich zu ihr. Aber er war nicht nur dieser Automat des Zorns und des Bösen, als der er erschaffen worden war. Das wusste sie aus eigener Erfahrung.
»Okay, Rephaim, wie wär’s, wenn du’s so siehst, dass du recht haben
könntest
?«
Sie sah in seinen blutunterlaufenen Augen Verstehen aufblitzen. »Bedeutet das auch, dass ich unrecht haben
könnte
?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich mein ja nur.«
Stumm schüttelte er den Kopf und aß weiter. Sie lächelte und fuhr fort, sich ein Putensandwich zu richten. »Also«, sagte sie, während sie Senf auf eine Scheibe Weißbrot klatschte. »Was ist deine Theorie dazu, dass die Seele von deinem Daddy verschwunden ist?«
Ihre Blicke trafen sich, und bei dem einen Wort, das er flüsterte, gefror ihr das Blut in den Adern.
»Neferet.«
Stevie Rae
» D allas hat erzählt, dass Neferet, dem Rat Kalonas leblosen Körper gezeigt hat.«
»Wer ist Dallas?«, fragte Rephaim.
»Ach, ’n Typ, den ich kenne. Scheint wohl darauf rauszulaufen, dass Neferet Kalona ans Messer geliefert hat, obwohl sie doch eigentlich zusammen sind und so.«
»Neferet umgarnt meinen Vater und gibt vor, seine Gefährtin zu sein, aber alles, was ihr in Wahrheit teuer ist, ist sie selbst. Während der Zorn in ihm lodert, herrscht der Hass in ihr. Und Hass ist der gefährlichere Verbündete.«
»Du bist also davon überzeugt, dass Neferet Kalona verraten würde, um ihre Haut zu retten?«
»Ich bin davon überzeugt, dass Neferet
jeden
verraten würde, um ihre Haut zu retten.«
»Aber was gewinnt sie, wenn sie Kalona verrät, vor allem so ohne Seele und so?«
»Indem sie ihn dem Hohen Rat ausliefert, lenkt sie deren Misstrauen von sich selbst ab.«
»Ja, hört sich logisch an. Ich weiß, dass sie Zoey lieber tot sehen würde. Und was Heath angeht, der ist ihr doch piepegal. Es kam Neferet wahrscheinlich ganz gelegen, dass Zoey mitansehen musste, wie Kalona Heath killte. Nach dem, was alle sagen, ist das nur einen winzigen Schritt vom Tod entfernt.« Und dass sie ihn nicht daran hindern konnte, obwohl sie ihm eine geballte Ladung Geist entgegengeschleudert hat. Und dass daran ihre Seele zerborsten ist.
Plötzlich taxierte Rephaim Stevie Rae scharf. »Zoey hat meinen Vater mit dem Element Geist angegriffen?«
»Ja, hab ich jedenfalls von Lenobia und Dragon gehört.«
»Dann hat ihn dies schwer verwundet.« Er senkte den Blick und schwieg.
»Hey, erzähl mir bitte alles, was du weißt«, sagte Stevie Rae ernst. Als er stumm blieb, seufzte sie. »Okay, pass auf, hier kommt meine Beichte. Ich wollte dich eigentlich zwingen, mir alles über deinen Daddy und die Anderwelt und so weiter zu erzählen. Aber jetzt, wo ich hier bin und tatsächlich mit dir rede, will ich dich nich mehr
zwingen
.« Zögernd berührte sie seinen Arm. Er zuckte leicht zusammen, als ihre Finger seine Haut berührten, aber er entzog sich nicht. »Können wir nich vielleicht zusammenarbeiten? Willst du denn echt, dass Zoey stirbt?«
Da sah er sie wieder an. »Ich habe keinen Grund, deiner Freundin etwas Übles zu wollen, du hingegen willst meinem Vater Übles.«
Stevie Rae stieß einen frustrierten Seufzer aus. »Wie wär’s mit ’nem Kompromiss darüber, was ich will. Was, wenn ich einfach nur will, dass Kalona uns alle in Frieden lässt?«
»Ich weiß nicht, ob das je möglich sein wird.«
»Aber dass ich’s mir
Weitere Kostenlose Bücher