House of Night 7. Verbrannt
wandte, war sie fast hundertprozentig sicher, einen dünnen silbernen Faden ausmachen zu können, der sich rund um sie zog. Über die Schulter grinste sie Dallas zu. »Hey, ich glaub, es funktioniert.«
»Klar funktioniert’s, Mädel. Du bist ’ne echt fähige Hohepriesterin.«
Es hörte sich gut an, wie Dallas sie so beharrlich Hohepriesterin nannte. Noch immer lächelnd wandte sich Stevie Rae wieder nach Norden. Sie fühlte sich stolz und stark, als sie die grüne Kerze entzündete und sagte: »Erde, ich weiß, ich mach das nich ganz nach Plan, aber ich wollte mir das Beste für zuletzt aufheben. Daher bitte ich dich jetzt: Komm zu mir wie immer, weil wir ’ne Verbindung haben, die noch viel einmaliger ist, als wenn im Sommer der Haikey Creek Park voller Glühwürmchen ist. Komm zu mir, Erde. Bitte komm.«
Da sprang die Erde sie von allen Seiten an wie ein übermütiger Welpe. Noch vor einer Sekunde war die Nacht kalt und feucht und von den Spuren des verheerenden Eissturms überschattet gewesen, aber jetzt, da ihr Element den komplett beschworenen Kreis ausfüllte, war um Stevie Rae die einladende schwüle Wärme einer Oklahoma-Sommernacht.
»Danke!«, rief sie glücklich. »Ich kann gar nich sagen, wie gut es ist, dass ich mich so auf dich verlassen kann.« Unter ihren Füßen wurde es warm, und die vereisten Grashalme um sie herum knackten und klimperten, als ihre Hülle von ihnen fiel und sie ihre winterlichen Fesseln für kurze Zeit abwerfen durften. »Okay.« Sie konzentrierte sich auf ihr Element und sprach zu ihm, als stünde es vor ihr wie eine Person. »Ich muss dich was Wichtiges fragen. Aber zuerst zünd ich das hier an, weil dir das bestimmt gut gefällt.« Sie hielt das getrocknete Süßgras in die Flamme. Als es Feuer fing, stellte sie sich die Kerze vor die Füße und blies das Gras leicht an, bis es zu rauchen anfing. Dann drehte sie sich um, grinste Dallas zu und ging innen im Kreis entlang, wobei sie das Gras schwenkte, bis die ganze Umgebung von grauem Dunst und dem Aroma eines heißen Präriesommers getränkt war.
Als sie wieder an ihrem Ausgangspunkt angekommen war, wandte sich Stevie Rae nach Norden, die Richtung, die ihrem Element gehörte. »Meine Freundin Zoey Redbird hat gesagt, Süßgras würde positive Energie anziehen, und das brauch ich heute Nacht definitiv, vor allem, weil es Zoey ist, für die ich dich um Hilfe bitten will. Du kennst sie, das weiß ich – sie hat auch ’ne Affinität zu dir, genau wie zu allen anderen Elementen. Sie ist was Besonderes, und nich nur, weil sie meine beste Freundin ist. Sondern auch, weil«, Stevie Rae wusste nicht genau, wie sie es ausdrücken sollte, aber da kamen ihr die richtigen Worte auch schon, »auch, weil Zoey ein bisschen was von allem in sich trägt. Ich denk, sie ist sozusagen ein Sinnbild für uns alle. Und deshalb brauchen wir sie zurück. Außerdem geht’s ihr da, wo sie jetzt ist, gar nich gut, und ich glaub, ohne Hilfe kommt sie da nich wieder raus. Deshalb will ihr Krieger, ein Typ namens Stark, ihr folgen. Und der braucht auf jeden Fall deine Hilfe. Ich bitte dich, zeig mir, wie Stark Zoey helfen kann. Bitte.«
Noch einmal schwenkte Stevie Rae den rauchenden Zopf aus Süßgras hin und her. Dann wartete sie.
Der Rauch war süß und dicht. Durch die Anwesenheit ihres Elements herrschte eine ganz ungewöhnliche Wärme.
Aber sonst passierte nichts.
Sicher, sie konnte spüren, wie die Erde sie umgab und nur darauf wartete, ihren Wünschen nachzukommen.
Aber es geschah nichts.
Nicht das kleinste bisschen.
Unsicher schwenkte Stevie Rae noch einmal das Süßgras und versuchte es von neuem.
»Okay, vielleicht war das zu ungenau.« Sie dachte kurz nach, versuchte, sich an all das zu erinnern, was Aphrodite ihr erzählt hatte. Dann sprach sie: »Mit der Macht der Erde und der Energie dieses heiligen Grases rufe ich den weißen Stier aus uralten Zeiten in meinen Kreis, weil ich ganz dringend erfahren muss, wie Stark zu Zoey gelangen kann, um sie zu beschützen, während sie sich wieder zusammenklaubt und den Weg zurück in diese Welt sucht.«
Da glühte mit einem Mal das Süßgras, das bisher sanft vor sich hingeraucht hatte, rot auf. Mit einem Schrei ließ Stevie Rae es fallen. Aus dem knisternden Zopf stieg dicker schwarzer Rauch auf, er sah aus wie eine Schlange, die Finsternis ausspie. Die versengte Hand an den Körper gepresst, stolperte Stevie Rae rückwärts.
»Stevie Rae? Was geht da ab?«
Sie konnte Dallas
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