How to be really bad (German Edition)
laufen.
Sam. Sam. Sam.
Na bitte, geht doch!
Ich beschloss, wieder mit Greta zur Schule zu gehen. Das würde mich hoffentlich auf andere Gedanken bringen und mich aus meiner Starre herausreißen.
Als Erstes grub ich mein Telefon wieder aus. Neun verpasste Anrufe von meinem Vater. Ich rief ihn an.
Falls ihr euch fragt, was mein überbehütender Vater dazu sagt – ihr glaubt doch wohl nicht im Ernst, dass ich ihm von meinem Problem erzählt habe? Ich hatte es geschafft, ein Telefonat mit ihm zu führen, in dem ich ihm glaubhaft versicherte, alles sei prima, verlaufe nach Plan, ich wäre nun pünktlich, hielte Ordnung und würde Disziplin an den Tag legen. Eben das, was ein besorgter Vater hören will.
Dass er mich zwei Tage nicht erreichen konnte, schob ich auf die Technik, woraufhin er meinte, das wäre eine sehr dämliche Ausrede, aber da ich ja anscheinend keinen Wert darauf lege, mit ihm zu reden, würde er nun sein Handy ausschalten und dann hätte ich das, was ich will: totale Freiheit.
Das war mir mehr als recht. Endlich!
Greta freute sich, dass es mir wieder besserging. Ich hatte ihre Sorge, dass ich unter Liebeskummer litt, damit zerstreut, dass ich ihr erklärte, meine Symptome wären typisch für eine Nebraska-Grippe. Die jedoch für Leute, die nicht aus Nebraska kämen, völlig ungefährlich sei. Wie lange ich wohl noch mit dieser Nebraska-Nummer durchkommen würde?
Greta trug wieder ihre üblichen selbstgenähten und gestrickten Kleider. «Was ist mit den Sachen, die ich dir besorgt habe?»
«Meine Mutter hat sie gewaschen und weggelegt. Wir werden sie schonen, für besondere Gelegenheiten.»
Das war nicht die Idee gewesen.
«Das heißt, du läufst jetzt wieder so rum?»
«Ja.»
Ich seufzte. «Wieso denn?»
Nun seufzte Greta: «Ich bin einfach nicht so gut wie du im Lügen und im Ungehorsam- und Dreistsein.»
Ich lächelte geschmeichelt. «So was kommt ja auch nicht von selbst. Das muss man üben.»
Greta sagte etwas zerknirscht: «Und wenn ich mal was Unrechtes tue, fühle ich mich anschließend schlecht.»
«Das ist sehr merkwürdig. Ich fühle mich anschließend gut.»
Greta sah mich entschuldigend an.
Ich machte ihr keinen Vorwurf. «Na egal. Wie läuft es denn so in der Schule?»
«Also in Mathe haben wir …»
«Ich meine nicht im Unterricht. Wie laufen die Pausen?» Das ist doch das wesentlich Spannendere in der Schule!
«Na ja, also eigentlich wie immer.»
«Wie immer?»
«Ja.»
«Was ist mit den Mädels und Carlo?»
«Die hängen in der Pause jetzt immer zusammen rum.»
«Ohne dich?»
«Ja.»
Toll, das bedeutete, dass ich wieder von vorne anfangen konnte.
«Bist du inzwischen in Carlo verliebt?»
«Nein.»
Okay, dann hakte ich den jetzt ab.
«Was ist mit den Mädels? Sind die nett zu dir? Grüßen sie dich? Reden sie mit dir?»
«Nein. Aber das ist okay.»
«Ist es nicht. Du musst sie dazu bringen, das zu tun, was du willst. Du bist zu nett. Du musst dir mehr Mühe geben, böse zu sein.»
«Das schaff ich nie.»
«Unsinn. Du hast ja jetzt mich. Ich werde es dir beibringen.»
Greta sah nicht sehr dankbar aus.
Als ich mit ihr zum Frühstück erschien, lief Frau Birnstein rasch ins Wohnzimmer und holte eine bunte Wolldecke.
«Für dich», meinte sie.
Sie kümmerte sich rührend um mich, aber eine Decke zum Frühstück brauchte ich nicht. Ich wollte gerade dankend ablehnen, da sprach sie schon weiter:
«Aus Gretas Kleid gingen die Flecke nicht mehr so richtig raus. Also habe ich dir einfach ein neues gestrickt.»
Ich sah sie an, als hätte sie mir eben mitgeteilt, dass sie mir ein Kleid gestrickt hätte und erwartete, dass ich es trüge. Aber sicherheitshalber fragte ich noch mal nach. Zugegebenermaßen ein wenig entsetzt: «Ein neues Kleid? Gestrickt? Für mich?»
Sie nickte nach jedem Wort bestätigend.
Ich holte tief Luft. Und nun?
Und nun hielt sie es mir noch drängender hin und meinte: «Zieh es doch gleich an.»
Mein Gesichtsausdruck ließ Sybille Birnstein erneut in ernste Sorge um meine Gesundheit verfallen. «Ist alles in Ordnung, Lilith? Geht es dir nicht gut?»
Offensichtlich hatte mein Aufenthalt hier bereits eine Veränderung in meinem Verhalten bewirkt. Vor kurzem hätte ich noch laut gelacht und gesagt: «Ich soll mir diese Sofadecke umhängen?! Toller Witz, gute Frau.» Aber nun stand ich da und verbiss mir diese spontane Reaktion.
Ich war nicht ganz sicher, ob mir das gefiel. Und ich war auch nicht sicher, ob meinem Vater das gefallen
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