Huckleberry Finn - Walbreckers Klassiker fuer Kids
Wigwam zu liegen.
âDa fällt uns bestimmt was einâ, verkündete der Herzog, der ständig dabei war, irgendwelche Pläne auszuhecken.
Und siehe da, noch am gleichen Tag war eine Lösung gefunden: Der Herzog steckte Jim in König Lears Kostüm, ein langes Gewand aus Vorhangstoff. Er setzte ihm eine Rosshaarperücke auf, klebte ihm einen Backenbart an und bemalte sein Gesicht, Hals, Ohren und Hände mit einer blassblauen Theaterschminke. Man konnte es nicht fassen â aber Jim sah jetzt so schaudererregend scheuÃlich aus, als hätte er mindestens neun Tage im Wasser gelegen. Dann nagelte der Herzog ein Schild an den Laternenmast: âKranker Araber! Ungefährlich, falls gerade bei Sinnen.â
âWenn jemand in deine Nähe kommtâ, erklärte der Herzog Jim, âdann stürzt du aus dem Wigwam, heulst wie ein wildes Tier und springst ein bisschen herum. Alles klar?â
Der liebe, gutmütige Jim nickte. Immerhin war er auf diese Weise seine Fessel los.
Ansonsten passierte die nächsten Tage nichts Besonderes. Der König und der Herzog zogen sich öfter zu Geheimbesprechungen zurück. Offenbar berieten sie, wo und wie man die nächsten Leute reinlegen konnte.
Welches Näschen für ein gutes Geschäft unsere beiden Adeligen aber besaÃen, das zeigte sich schon in den nächsten Tagen.
Erst einmal legten wir an, und die beiden Gauner und ich gingen an Land, um uns neu einzukleiden. Kaum zu glauben, was man mit ein paar feinen Klamotten bewirken kann! Vor allem der König sah jetzt wie Noah höchstpersönlich aus, als wäre er soeben der Arche entstiegen. Seinen Kopf zierte ein weiÃer Biberhut, und sonst trug er nur feinstes, elegantes, schwarzes Tuch â eine richtig würdevolle Erscheinung war der Typ! Und genau in dieser Aufmachung wollte der König von mir zur nächsten Ortschaft gerudert werden. âUm sich von der Vorsehung treiben zu lassenâ, wie er es nannte.
Der Ausflug ergab nichts Erwähnenswertes â fast jedenfalls. Denn gerade wollten wir zurück zum Floà rudern, da winkte uns ein Junge zu. Er kam schweiÃgebadet und mit zwei schweren Reisesäcken bepackt den Uferweg entlang und schien ein Problem zu haben.
âKann man behilflich sein?â zeigte sich der König von seiner freundlichsten Seite.
âIch muss das Dampfboot erreichenâ, keuchte der junge. âMuss nach Orleans runter.â
âKommen Sie an Bord, junger Herrâ, rief der König. âMein Diener wird Ihnen beim Gepäck behilflich sein.â
Hörte ich richtig?
âLos, Adolphus, hilf dem jungen Herrn!â, befahl mir der König, als wäre ich sein Knappe.
Ich gehorchte zähneknirschend und war fest entschlossen, ihm diese Unverschämtheit bei nächster Gelegenheit heimzuzahlen. Erst einmal aber musste ich rudern und wurde dabei Zeuge eines höchst interessanten Wortwechsels:
âAls ich Sie da so im Boot sitzen sah, dachte ich erst, Sie seien Mr. Wilksâ sagte der Junge.
âSo, so.â
âUm ein Haar wären Sie dann noch pünktlich gewesen.â
âAch so?â
âJedenfalls noch rechtzeitig für die Testamentseröffnung.â
âWieso?â
âNa, Sie wissen doch â Oder wissen Sie's nicht?â
âWas?â
âDass der arme Peter Wilks gestern gestorben ist. Und dass er bis zur letzten Minute gehofft hat, Sie wiederzusehen.â
âSo?â
âNa klar. Von Kindheit an, seit seiner Auswanderung hier nach Arkansas, hatte er Sie ja nicht mehr gesehen.â
âWen?â
âSeinen Bruder Harvey den Prediger. Und seinen Bruder William. Den Nachkömmling, den Taubstummen. Sie wissen schon.â
Der König legte die Stirn in Falten. Er verfiel in angestrengtes Nachdenken, und ich vergaà vor lauter Anspannung das Rudern.
âIch bin's nicht, junger Herr. Nein, ich bin's leider â ich meine Gott sei Dank, nichtâ, suchte der König ausnahmsweise mal nach Worten. âMein Name ist Alexander Blodgett. Ich sollte sagen: Ehrwürden Alexander Blodgett, meines Zeichens Diener unseres Herrn. Sie verstehen.â
Unser Fahrgast nickte und blickte sein Gegenüber voller Ehrfurcht an.
âErzählen Sie mir alles über Wilks!â, fuhr der König in einem Tonfall fort, den man sonst nur von der Kanzel hört. âSolche Schicksale treffen mich in tiefster Seele, und ich
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