Huckleberry Finn - Walbreckers Klassiker fuer Kids
als der König mit einer übertriebenen Gebärde in den Nebenraum zeigte, hörte die Drängelei auf, und es wurde ein bisschen ruhiger.
âPst!â machten einige. Die Männer nahmen ihre Hüte ab und senkten ihre Köpfe. Der König und der Herzog verlangsamten ihren Schritt und bekamen noch feierlichere Gesichter. Und dann war alles mucksmäuschenstill, und die zwei standen vor dem Sarg. Einen kurzen Moment hielten sie inne, dann ging die Heulerei von neuem los. Jetzt fielen sich die zwei in die Arme und schluchzten. AnschlieÃend sanken sie auf die Knie und machten, wie wenn sie beten würden. Und was dem Ganzen die Krone aufsetzte: Nun fing der König auch noch an, eine Rede zu halten â mit vielen Tränen dazwischen.
Kaum hatte er das letzte Wort gesprochen, stimmte einer aus der Menge einen Lobgesang an. Und die anderen fielen ein, dass sogar mir ganz feierlich zumute wurde. Der König hielt noch eine Ansprache, dankte für die liebevolle Aufnahme und verteilte sein Mitgefühl auf alle Anwesenden. Dabei nannte er fast alle Namen, die ihm der Bauernbursche gesagt hatte, vor allem die von den kirchlichen Würdenträgern. Unglaublich!
Dann holte die hübsche Mary Jane den Brief, den ihr Onkel hinterlassen hatte, und lieà ihn vom König öffnen und verlesen. Darin hieà es: Die Nichten erben das Wohnhaus und dreitausend Dollar in Gold. Die Brüder Harvey und William â wenn sie aus England kommen â bekommen die Gerberei nebst Land und einigen anderen Häusern sowie ebenfalls dreitausend Dollar in Gold. Und am Ende war auch noch genau beschrieben, wo im Keller das Bare versteckt war.
âWas hast du uns nur angetan mit deinem Ableben, Peterâ, flüsterte der König mit Leidensmiene. Dann forderte er mich auf, Kerzen zu besorgen und ihn und den Herzog in den Keller zu begleiten.
Der Sack mit dem Gold war schnell gefunden, und den beiden Gaunern fielen fast die Augen aus dem Kopf. Voller Lust und Gier wühlten sie in dem Gold, dann zählten sie es und stellten mit Ãberraschung fest: Es fehlten vierhundertfünfzehn Dollar!
âMacht nichtsâ, sagte der Herzog. âWir ersetzen das. Wir bekommen es ja wieder zurück.â
âDu hast einen fabelhaften Kopf zwischen den Schulternâ, lobte der König seinen Kompagnon.
Der leerte seine Taschen, und es reichte gerade, damit es 6000 Dollar waren. âIch hab noch 'ne andere Ideeâ, sagte der Herzog. âWie wär's, wenn wir das ganze Geld den Mädels schenken? So als groÃzügige Onkel-Geste ...â
âFamos, famos!â begeisterte sich der König. âMit dem Trick verjagen wir jeden Argwohn. Du bist ein grandioser Schlaukopf, William!â
Als wir mit dem Sack nach oben kamen, drängte sich alles um uns. Wir kippten das Geld auf den Tisch, und dann ging es noch mal ans Zählen. Der König machte immer schöne Häufchen mit dreihundert Dollar, und am Ende standen da zwanzig kleine goldene Türmchen. Jeder der Anwesenden blickte gierig auf das Geld und leckte sich die Lippen.
Aber der König lieà alles wieder im Sack verschwinden und setzte zu einer seiner groÃen Reden an: âIhr lieben Freunde! Mein armer Bruder, der dort drüben liegt, hat unvergleichlich groÃmütig an denen gehandelt, die hier im Tal des Kummers zurückgeblieben sind. Er hat auch für die drei kleinen Lämmchen gesorgt, denen er seine ganze Liebe schenkte und die nun vater- und mutterlos dastehen. Ja, und wie wir ihn kannten, wäre er noch groÃzügiger gewesen, wenn er nicht gefürchtet hätte, seinen lieben William und mich zu verletzen. Aber was für grausame Onkels wären wir, wenn wir jetzt diese armen, süÃen Lämmchen zu dieser Stunde berauben, ja, berauben würden! Wie ich William kenne â und ich glaube, ich kenne ihn gut â so wird er â nun, ich will ihn selber fragen.â
Der König wandte sich dem Herzog zu und machte eine Menge Zeichen mit den Händen. Der Herzog sah ihn erst eine Weile verständnislos an, dann plötzlich schien er zu begreifen, sprang auf den König zu, strahlte übers ganze Gesicht, gab âGu-Guâ-Laute von sich und umarmte ihn mehrere Male.
âSeht ihr, ich hab's ja gewusst!â verkündete der König nicht minder strahlend. âHier, Mary Jane, Susan und Joanna, nehmt auch das Geld, das wir erben sollten, nehmt bitte alles!
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