Huckleberry Finn - Walbreckers Klassiker fuer Kids
hatte die beiden Halunken geteert und gefedert. Mir wurde richtig schlecht bei diesem Anblick. Und plötzlich taten sie mir leid, die beiden erbärmlichen Lumpen. Wir guckten den Leuten nach, wie sie weiterzogen. Dann schlichen wir zur Farm zurück. Die Lust auf weitere Unternehmungen war uns gründlich vergangen, und wir waren beide froh, als wir unbehelligt in unserem Bett gelandet waren.
Der nächste Tag sollte spannend werden: Vormittags mussten wir uns meistens im Haus aufhalten, weil uns Tante Sally noch mehr Löcher in den Bauch fragen wollte. Nach dem Mittagessen aber wartete Tom mit einem Satz auf, der mich glatt umhaute: âIch weiÃ, wo Jim ist!â
Ich glaube, ich machte ein ziemlich blödes Gesicht.
âIn der Hütte unten neben der Aschentonneâ, erklärte mir Tom. âIch hab gesehen, wie der Nigger Nat die Tür aufgeschlossen hat und mit einem Teller Essen da rein ist. Später hat er Onkel Silas den Schlüssel zurückgegeben.â
Na wunderbar, das machte die Sache ja einfach! âWir müssen dem Alten nachts den Schlüssel aus der Jacke klauenâ, schlug ich vor. âEiner schafft das Boot aus dem Wasser, fährt rüber zur Insel und holt das FloÃ. Der andere befreit Jim. Und dann nichts wie weg von hier. Das wär's doch, oder?â
Tom sah mich an, als hätte ich ihm von ein paar jungen Entlein erzählt, die ihren ersten Ausflug machten. âDas ist ja schlaff wie Gänsemilchâ, machte er mich nieder. âWenn schon, dann drehen wir ein ganz groÃes Ding.â
Und dann fing er an, die abenteuerlichsten Befreiungsversuche zu erfinden â so, als säÃe der arme Jim im bestbewachten Gefängnis der ganzen amerikanischen Staaten.
âWenn es keine Schwierigkeiten gibt, muss man welche erfinden. Sonst ist das Leben fad und langweiligâ, erklärte mir Tom, und ich musste ihm, wie fast immer, recht geben.
Aber war Jim wirklich in der Hütte, wie Tom glaubte? Auch diesen Abend warteten wir wieder, bis Ruhe im Haus war. Dann ging's den Blitzableiter runter und auf Schleichwegen durchs Farmgelände bis zu der Stelle, wo wir Jim vermuteten. Ich war ungeheuer aufgeregt und beobachtete Tom heimlich von der Seite. Wie mir schien, hatte er kein bisschen Angst. Er guckte so, als hätte er jeden Tag solche Geheimaufträge zu erledigen.
Die Hütte war, von Nahem gesehen, übrigens eine Bruchbude. Auf der Rückseite hatte sie eine Fensteröffnung, und über die war quer ein Brett genagelt. Daneben standen Aschentonnen, und die kamen uns gerade recht, um einen Blick ins Innere der Hütte werfen zu können.
âJim?â
Ich glaub, noch nie hat jemand so einen Schreck bekommen!
âDu â Tom Sawyer?â
âJa, ich bin's persönlich und nicht sein Geistâ, sagte Tom grinsend.
âUnd gutes altes Freund Huck?â
âNa klar, Jimâ, sagte ich mit Herzklopfen. âWir wollen dich hier rausholen.â
âJim haben aber Fesseln an Bein. Schwere Kette sein an Bett festgemacht. Und Bett sein zu schwer, um selber hochzuheben. O Huck! O Tom â ihr wollen mich wirklich hier herausholen? Ihr haben den König und den Herzog auch dabei?â
âDie sind weit weg inzwischenâ, rief ich ins Dunkel der Hütte. âDie sehen wir nicht wieder.â
âSchluss jetzt mit dem Gequatsche! Wir sind hier in gröÃter Gefahrâ, mischte sich Tom in unser Gespräch. âJim, du passt in der nächsten Zeit höllisch auf, was wir dir in die Zelle schmuggeln. Dieser Coup ist lebensgefährlich und voller Tücken. Ein Fehler, und wir sind alle geliefert.â
Jim war offenbar sehr beeindruckt und schwieg. Und auch ich wagte erst wieder was zu sagen, nachdem wir den Blitzableiter hochgeklettert waren: âEigentlich brauchen wir doch nur das Brett vom Fenster wegzumachenâ, schlug ich Tom vor. âDann klettern wir rein, heben zu zweit das Bett hoch und helfen Jim nach drauÃen.â
âSpinnst du!â, bekam ich eins aufs Dach. âSo langweilig ist ja noch nie ein Gefangener befreit worden!â
Und dann legte er los: âErst mal brauchen wir 'ne Strickleiter. Die machen wir aus 'nem Wäschelaken von Tante Sally, tun sie in eine Pastete und schicken sie Jim in die Zelle. Wenn du das Laken klaust, lässt du auch gleich ein Hemd von Onkelchen mitgehen. Darauf kann Jim seine Geheimnotizen machen. Dafür braucht
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