Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen
Sonntagmorgen zu zwei verschiedenen Bäckern fahren zu müssen. Zu Bäcker A, um dort die Hörnchen zu kaufen, und zu Bäcker B sechs Kilometer weiter, weil dessen Brötchen die knusprigsten sind. Viel einfacher ist es doch, wenn für dich klar ist, dass bei Bäcker A alles besser ist als bei den anderen Bäckern der Stadt. Das spart viel Energie. Sowohl, was das Benzin, als auch, was das Denken angeht.
Fakt ist aber auch: Mit dem Halo-Effekt als Ballast ist keine rationale Abwägung möglich. Wir sind schlicht nicht in der Lage, die Dinge für sich stehend zu beurteilen. Sondern sie werden immer nur im Licht dessen gesehen, was zuvor war oder was drumherum passiert. Wenn du den Film »Rambo« gut fandest, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass du dir auch »Rambo 2« bis »Rambo 4« angeschaut hast, auch wenn aus der betont defensiv auftretenden Figur des ersten Teils eine Killermaschine geworden ist, die mit dem Rambo des ersten Teils nur wenig zu tun hat.
Was wir nicht vergessen dürfen: Beim Halo-Effekt geht es nicht nur um persönliche Wohlfühl-Launen. Wo einer seine Brötchen kauft, ist nicht gerade von weltbewegendem Interesse. Der Halo-Effekt greift aber noch viel weiter. Auch in Wirtschaft und Politik wird gefragt: Was war vorher? Wie haben meine Vorgänger gehandelt? Was sagen die anderen? Als 1994 die Immobilienfirma von Jürgen Schneider in die Pleite ging, wurde schnell sichtbar, wie sehr die Banken dem Halo-Effekt zum Opfer gefallen waren. Immer wieder wurden Schneider Kredite gewährt, weil die Oberfläche seines Firmengeflechts so stark auf Hochglanz poliert war, dass niemand auf die Idee kam, einmal die Fakten zu prüfen. Auch als längst klar war, dass es nicht mit rechten Dingen zuging, drückten die Banken wider besseres Wissen immer wieder die Augen zu und schossen Geld nach.
Die erfolgreichsten Unternehmen profitieren vom Halo-Effekt. Die iPhones von Apple sind Verkaufsschlager mit Kult-Status, obwohl die meisten Testberichte klar zum Ergebnis kommen, dass Ausstattung und Funktion anderer Smartphones deutlich besser sind. Der Testbericht von Computer-Bild vom Dezember 2012 nennt das iPhone zum Beispiel erst auf Platz 6. Deutlich abgeschlagen hinter HTC, Galaxy und Samsung. Und doch ist das iPhone cool und von HTC haben nur die wenigsten schon gehört.
Noch einmal zusammengefasst: Vom Halo-Effekt geblendet treffen wir unrationale Entscheidungen. Und das, wofür wir uns einmal entschieden haben, finden wir auch dann gut, wenn es eigentlich Mist ist. Wir haben uns aus dem Vernunft-Modus ausgeklinkt. Das ist der »Kuscheltier-Effekt«. Unterm Strich kommt heraus: Du bist recht zufrieden, dies aber mit der zweit- oder drittbesten Möglichkeit. Von einer optimalen Lebensführung bist du Meilen entfernt. Wie kann es sein, dass du da mitmachst? Merkst du denn gar nicht, dass du auf dem Holzweg bist? Natürlich merkst du das! Du hast Rückenschmerzen und Magengeschwüre, du fühlst dich unwohl, du würdest am liebsten auswandern. Aber du änderst nichts an deinem Leben.
Alles, was wir tun, tun wir aus gutem Grund: Es bringt uns einen Vorteil – auch wenn es noch so irrational, unsinnig oder drittklassig ist. Sonst würden wir es nicht tun. Niemand geht ins Feuer, wenn er daraus nicht irgendeinen Sinn, irgendeinen Nutzen ziehen kann. Das muss allerdings schon ein gewichtiger Vorteil sein, den wir für den Preis eines verpatzten Lebens einstreichen können! Was kann das nur sein, was uns auf so viel verzichten lässt?
Da weiß man, was man hat
Der Hapag-Lloyd-Flug 3378, der in Chania auf Kreta startete, sollte nach Hannover gehen. Doch gleich nach dem Start trat ein Problem auf: Das Hauptfahrwerk ließ sich nicht mehr einfahren. Das war alarmierend, aber eigentlich kein großes Problem für die Piloten der A310-300, denn mit ausgefahrenem Fahrwerk fliegen zu müssen, ist nicht weiter schlimm. Die meisten Kleinflugzeuge, vom antiken Doppeldecker bis zur 17-sitzigen Beechcraft, sind mit sichtbaren Rädern unterwegs. So zu fliegen verbraucht nur deutlich mehr Treibstoff, denn der Luftwiderstand ist ja viel höher. Bei einer Boeing 310-300 steigt der Kerosinverbrauch sogar auf fast das Doppelte.
Die Piloten hatten nun mehrere Möglichkeiten: Gleich wieder in Chania oder in Athen oder einem anderen nahe gelegenen Flughafen landen, den Ausfall beheben lassen, eine Ersatzmaschine organisieren.
Das kann viele Stunden dauern, manchmal auch einen ganzen Tag. Unangenehm für die Passagiere, teuer für
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