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Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen

Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen

Titel: Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: GABAL Verlag
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von der »guten alten Zeit« reden, die maßgeblich davon geprägt war, dass alles besser war als heute. Das fängt bei harmlosen Aussagen an wie »Früher gab es noch richtige Winter«, macht aber leider vor latenten Forderungen wie »Bei uns hätte es einfach eine Tracht Prügel gegeben« nicht Halt. Keine Frage: Ich bin für das Pflegen einer kulturellen Identität, für das Wissen, woher ich komme, was die Grundsätze der Kultur und Lebensweise des Landes ausmacht, in dem ich mich wohlfühle und das ich als meine Heimat erlebe. Insofern kann ich auch der Frage nach einer Leitkultur wirklich etwas abgewinnen. Wenn sich diese Identität aber nur noch als Bremsblock für alles Neue und jede Veränderung entpuppt, ist die Grenze überschritten. Warum ein Marokkaner, der hier in Deutschland Gemüse verkaufen will, Schiller und Goethe kennen soll, wenn es die meisten Deutschen doch selbst nicht tun, ist nicht nachvollziehbar. Ein Witz!
    Ab in die Vitrine mit dem Schildchen: »Bitte nicht berühren!«
    Ich gebe zu, über diesen Witz haben schon viele gelacht. Aber sie tun es, weil er den Kern der Sache trifft. Eine Gesellschaft muss sich wandeln, um am Leben zu bleiben. Alternde Gesellschaft, Pflegenotstand, fehlende Ingenieure, Mediziner, Handwerker – das alles ist für Ewig-Gestrige kein Thema. Bloß nicht noch mehr Ausländer ins Land holen! Hinterher tragen die noch Kopftücher! Mit dieser Einstellung könnten wir unsere Gesellschaft auch gleich in eine Vitrine stellen mit dem Schildchen: »Bitte nicht berühren!«
    Madonna ist das krasse Gegenteil einer im wahrsten Sinne des Wortes konservierenden Lebenseinstellung. Sie ist berühmt dafür, dass sie sich immer wieder neu erfindet. »Like a Virgin« und »American Pie« sind Welten voneinander entfernt. Der Blick zurück ist nicht ihr Ding. Ihr Motto ist eher: »Hier bin ich jetzt. Was könnte ich nun tun?« Das macht Madonna aus, darin besteht ihre Treue zu sich selbst.
    Mir fällt kein einziges erfolgreiches Unternehmen ein, das nicht zur Veränderung fähig wäre. Wenn die Führungsetage nach dem Motto handelt: »Wir haben mit unseren Videokassetten immer so viel Erfolg gehabt, wir brauchen keinen neumodischen Schnickschnack«, ist das der erste Schritt in den Konkurs.
    Als Beispiel für Innovation und zukunftswirksame Ideen wird immer gern Sixt genannt. Zu Recht. Einer ihrer neuesten Coups: das Programm »Drive now«. In Berlin, München, Düsseldorf und Köln stehen hunderte Minis und Audi A1. Als Mitglied findest du den Standort des nächsten Autos online oder per Smartphone. Du setzt dich rein und fährst los. An deinem Ziel stellst du es ab. Das war’s. Du bezahlst per Minute. Keine Reparatur- und Versicherungskosten. Du musst noch nicht einmal tanken; das macht ein Service-Team.
    Alle reden davon, dass es gerade in den Großstädten vielen Menschen gar nicht mehr darauf ankommt, ein eigenes Auto vor der Tür stehen zu haben. Sixt hat das umgesetzt. Sie sind Autovermieter. Ja. Aber sie denken weit über den Sechs-Quadratmeter-Schalter am Flughafen hinaus. Sie sind Meister darin, sich von den Gedanken, wie es früher immer war, zu lösen.
    Das Leben wohnt nun einmal nicht in der Vergangenheit. Die Vergangenheit ist der Humus, der Boden, auf dem wir wachsen. Aber wir wachsen in die Zukunft, nicht in die Vergangenheit hinein. Oft musst du Altes über Bord werfen, damit du Platz für Neues hast in deinem Leben. Das heißt: Du musst loslassen können.
    Und genau das ist das Problem.
Im Urwald
    Loslassen fällt vielen Menschen schwer. Das hat zwei Gründe. Erstens: Wir haben im Kopf ein kristallklares Bild von der Vergangenheit – auch wenn dieses Bild nicht immer der Realität entspricht. Aber wir haben normalerweise kein Bild von der Zukunft. Das Bekannte gibt uns ein heimeliges Gefühl. Das Unbekannte fürchten wir. Damit ist die Vergangenheit immer attraktiver als das, was auf uns zukommt.
    Bei Kindern ist das noch anders. Für sie ist die Zukunft verheißungsvoll und hält jede Menge Wunder bereit. Ich zum Beispiel wollte als Sechsjähriger Lokomotivführer werden. Dass Dampfloks damals schon Seltenheitswert hatten, hat mich nicht die Bohne gestört. Ich sah mich trotzdem mit meiner Lok und zwei, drei angehängten Waggons durch die Gegend fahren. Wenn ich groß sein würde. Also in anderthalb Ewigkeiten.
    Je älter du aber wirst, desto mehr schrumpft der Zeitraum, über den hinaus du dir deine Zukunft vorstellen kannst und willst, zusammen. Irgendwann

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