Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen
aufzurappeln, dann weißt du, dass du immer wieder aus der Klemme herauskommen kannst. Egal, was kommt. So ein Gefühl ist das Beste, was dir passieren kann. Kein Geld der Welt kann das kaufen. Um das zu haben, musst du mal richtig unten gewesen sein.
Die Chancen für uns, diese Fähigkeit zu erlangen, stehen schlecht. Schon als Kind wirst du gepampert. Alle Fährnisse des Lebens werden von dir ferngehalten. Mit der S-Bahn zum Geigenunterricht? Kommt nicht in Frage. Mama fährt dich. Stress mit dem Lehrer oder mit den Mitschülern? Die Eltern gehen zum Schuldirektor und regeln das. Taschengeld schon am Dienstag verbraucht? Die Oma hilft aus und steckt was extra zu.
Wenn du immer auf Händen getragen wurdest, kannst du dir gar nicht vorstellen, dass du auch mal hinfallen kannst. Aber so viel ist klar: Du wirst in deinem Leben stolpern. Nicht nur einmal. Weil du Fehler machst oder weil das Schicksal es nicht gut mit dir meint. Das passiert eben. Zum Schock über den Sturz kommt noch etwas: Weil du nie Schmerz kennen gelernt hast, tut es doppelt weh, wenn du dein Knie aufschürfst.
Weil uns immer suggeriert wird, dass alles easy sein muss, haben wir verlernt, die anstrengende Seite des Lebens zu sehen. Wir glauben, auch ohne Belastung durchs Leben gehen zu können. Ohne zu agieren. So wird es uns verkauft. Und so verkaufen wir es uns selbst. Auf dem Weg des geringsten Widerstandes soll es für uns rote Rosen regnen. Wir meinen, wir hätten das verdient. Aber womit denn? Glück als Geburtsrecht?
Wir glauben, mit der richtigen Einstellung würde uns schon alles in den Schoß fallen. Ohne einen Handschlag dafür zu tun. Weil sie so gut zu dieser Lebensauffassung passen, sind ja auch die Erfolgsgurus so beliebt. Du lässt dir von ihnen ein wenig an deinem Selbstbewusstsein herumbasteln, und schon wird aus dir ein Top-Verkäufer, der Spitzensportler oder die perfekte Ehefrau. Aber das funktioniert so nicht. Ich selbst bin der lebende Beweis dafür.
Auch ich wollte »die Schatzkammer meines Unterbewusstseins anzapfen«.
Auch ich habe mich eine Zeit lang als Top Versicherungsmann gesehen. Ich habe richtig viele Bücher über Erfolg verheißendes Selbstmanagement gelesen, über Power-Mind-Boosting und wie ich durch gezieltes Hirnwellen-Training meine Kreativität, Effektivität und Attraktivität um das Zehnfache steigern könnte. Ich hatte bündelweise Zielcollagen in der Schublade und vor lauter Post-its am Spiegel konnte ich kaum noch mein Gesicht erkennen. Limitierende Glaubenssätze stellten für mich kein Problem mehr dar und das Buch
Denken Sie sich reich
von Joseph Murphy hatte ich schon 23-mal gelesen. »Die Antworten auf alle diese Fragen finden Sie in dem vorliegenden Buch, das Ihnen den Schlüssel zu den grenzenlosen Reichtümern unseres Universums und der Fülle der Welt, in der wir leben, liefert. … Wenn Sie die wunderbaren Gesetze des Denkens und Glaubens richtig anwenden, dann können Sie sofort Ergebnisse erzielen und ungeahnte Reichtümer in Ihr Leben bringen.« Ja, so etwas schmeckte mir! Ich wollte einer von den Erleuchteten sein, ich wollte »die Schatzkammer meines Unterbewusstseins anzapfen«. Die Kataloge mit den 75-Fuß-Yachten lagen schon auf meinem Nachttisch.
Meine Einstellung war echt geil damals. Ich war mental mehr als bereit für den Erfolg, doch der wollte sich einfach nicht einstellen. Die Schuld dafür, dass ich nicht aus dem Quark kam, suchte ich bei mir. Wenigstens mit dieser Schlussfolgerung hatte ich recht! Ich hab eine Weile gebraucht, bis ich kapiert hatte, was ich falsch machte.
Das Problem war, dass ich morgens um neun noch im Bett lag.
99 Lufballons
Ich will mich jetzt nicht über eine ganze Branche lustig machen: Klare Zielvorstellungen sind wichtig. Das ist wahr. Wenn du nicht an deinen Erfolg glaubst, dann wird auch nichts daraus. Es ist also nicht falsch, was da in den meisten Motivationsratgebern so steht. Aber es ist nur die halbe Wahrheit.
Aus der schönsten Zielvorstellung kann keine Realität werden, wenn du nicht auch aktiv wirst. Nur weil du dir eine tolle Yacht in allen Einzelheiten vorstellst – doppelte Ruderblätter und ausziehbarer Bugspriet –, schipperst du noch lange nicht auf ihr im nächsten Urlaub herum. Von allein stellt dir niemand ein Boot vor die Tür. Allein mit Meditieren trainierst du keinen Marathon. Und mit der bloßen Vorstellung von einer perfekten Landung ist noch kein Flugzeug sicher auf dem Boden angekommen. Wenn auf das Denken keine
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