Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen
Erreichen eines Ziels alles. Die Erkenntnis, dass nun nichts bleibt, wie es war, lähmt dich und verhindert, dass du deinen wohlverdienten Erfolg genießen kannst.
In ein Loch zu fallen, wenn man auf dem Gipfel angekommen ist – das ging mir auch so. Ich wollte auf den ganz großen Bühnen sprechen. 1000 Zuhörer im Publikum. Das kam mir vor wie der Olymp. Das musste das höchste der Gefühle sein, dachte ich – bevor ich dort angekommen war. Am Anfang stand das noch weit in den Sternen, der Plan, einmal vor mehr als 1000 Menschen zu sprechen, war eher aus Übermut geboren. Aber dann merkte ich, dass es machbar war. Ich arbeitete hart an mir. Meine Vision half mir, meine Kräfte zu bündeln, ein Strategie zu entwickeln und diese dann Schritt für Schritt umzusetzen.
Und dann war es so weit. Ich schmiss eine große Party; wir feierten wie die Verrückten. Am nächsten Morgen wachte ich auf und fühlte mich deprimiert. Das Gummiband, das mich über Jahre gezogen hatte, hing auf einmal schlaff herunter. Ich hatte es tatsächlich geschafft. Es waren sogar ein ganzes Stück mehr als 1000 Leute im Publikum. Und jetzt? War das der Olymp? Die Erde hatte nicht gebebt und die Engel hatten nicht gesungen. »War’s das schon?« Was würde mich in Zukunft antreiben? 2000 oder 3000 Zuhörer? Irgendwie hatte das lange nicht mehr die Kraft. Aber vielleicht sind die 1000 ja genug. Sollte es dann wirklich genauso bleiben, wie es nun war?
Mächtige Kräfte ziehen dich zurück
Die Angst vor der Veränderung lauert also kurz vor und kurz nach dem Erfolg. Ein Teil deiner Persönlichkeit wird immer danach schreien, dass du alles aufgibst und dich zurück in die Kuschelzone begibst. Mächtige Kräfte ziehen dich dahin zurück. Die Vergangenheit, die du gerade verlässt, hat größere Anziehungskraft als jeder Neodym-Magnet. So zu tun, als hättest du all diese Gefühle nicht, geht natürlich auch. Aber besser als diese Augen-zu-und-durch-Ignoranz ist es, wenn du begreifst, was da gerade in dir vorgeht. Sich seiner Ängste bewusst zu sein, ist ein wesentlicher Schritt, um sie zu überwinden.
Wovor fürchtet man sich überhaupt? Als mich damals das schwarze Loch fast überwältigte, ging ich zum Gegenangriff über. Ich zog Bilanz. Ganz nüchtern. Ich fragte mich: Was hatte es mir gebracht, mein 1000-Zuhörer-Ziel erreicht zu haben? Ich war einer der erfolgreichsten Trainer geworden. Dazu kamen jetzt immer mehr Vorträge vor immer größerem Publikum. Ich hatte extrem viel Arbeit und extrem wenig Freiräume. Wollte ich das wirklich? Auch die Angst vor Veränderung war immer noch da. Würde es jetzt noch härter werden? Um ein verlässliches Bild der Situation zu bekommen, machte ich einen Vorher-nachher-Abgleich. Ich erinnerte mich daran, wie es am Anfang meiner Laufbahn gewesen war. Ganz schön, aber oft auch frustrierend. Die Akquise schlauchte. Und wenn ich dem Programm entnahm, dass kurz nach oder vor mir irgendein Heiopei über »Mit Kristallen zum besseren Ich« referierte, dann tat das weh. Als bekannterer Speaker war das alles kein Thema mehr für mich. Allerdings hatte es auch seinen Preis. Schon allein, dass mein Terminkalender auf Monate im Voraus ausgebucht ist, schränkt heute meine Bewegungsfreiheit ein. Auf der anderen Seite ermöglich mir dieser Erfolg auch sehr viel. Ich bin finanziell weitgehend frei, kann mir aussuchen, ob ich ein Engagement annehme oder nicht. Na ja, und die Veranstaltungen, auf denen ich spreche, finden in der Regel auch nicht an den unattraktivsten Plätzen dieser Welt statt.
Wenn dich also die große Frage nach dem Warum überfällt, dann überlasse dich nicht irrationalen Angst-Gefühlen, sondern überlege dir ganz rational das Pro und das Contra deiner neuen Situation. Wie wäre es, wenn du der geblieben wärst, der du warst? Und wie ist es nun, nach dem Erfolg? Je klarer das Bild wird, desto mehr lösen sich diffuse Sorgen auf. Akzeptiere, dass sich dein Leben tatsächlich ändert, wenn der Konjunktiv von hätte-wäre-wenn endlich Realität wird.
Vergiss nicht, dass es einen Grund hatte, warum du diese Entscheidung getroffen hast. Dass jede Entscheidung gleichzeitig auch die Chance in sich trägt, dich ein Stück weiterzuentwickeln. Dich zu ändern. Mit jeder Entscheidung machst du mehr von dir selbst wahr. Du wirst immer mehr derjenige, der du eigentlich bist. Denn eins ist klar: Mit jeder Entscheidung erreichst du, dass nicht andere über dich entscheiden. Mit jeder Entscheidung wirst du
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