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Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen

Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen

Titel: Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: GABAL Verlag
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Veränderungen sind das? Was passiert denn, wenn jemand Erfolg hat? Bleiben wir einmal beim Beispiel berufliche Weiterentwicklung. Mit jedem Karrieresprung musst du eine neue Rolle einnehmen. Du trägst mehr Verantwortung als zuvor. Der Leistungsdruck wird größer. Es wird erwartet, dass du auch an Wochenenden verfügbar bist. Auf einmal wird um dich herum nur noch Englisch gesprochen. Und in Jeans und Polohemd kannst du dich am Arbeitsplatz nicht mehr sehen lassen.
    Auch dein soziales Leben wird durchgerüttelt, wenn es mit dir steil bergauf geht. Wirst du noch genug Zeit für die Familie haben? Genug Zeit für dich selbst? Wenn du auf einmal der Vorgesetzte deiner Kumpel bist, hockt ihr euch dann noch zusammen vor den Fernseher und schaut UEFA-Pokal-Spiele an?
    Manchmal ist mit einem Karrieresprung ein gewaltiger Gehaltssprung verbunden. Das bringt dich ins Grübeln: Du ahnst, dass dein jetziges soziales Umfeld es nicht auf Dauer aushalten wird, wenn du ein Auto fährst, das dreimal so teuer ist wie das deiner Freunde und Bekannten. Und du selbst hättest wohl irgendwann auch etwas dagegen, dir im Stadion immer noch auf den Stehplätzen der Nordkurve die Zehen abzufrieren, wenn du doch auch gemütlich in der VIP-Lounge leckere Häppchen zu dir nehmen könntest.
    Soziale Angst – das ist nicht nur die Angst vor dem Abstieg. Das ist auch die Angst vor dem Aufstieg. Es ist die Angst vor der sozialen Ablehnung, die dich fragen lässt: Die Freunde könnten verloren gehen, das Familienleben wird ein anderes sein. Ist es wirklich das, was ich will?
    Du siehst: Die Angst vor dem Erfolg ist eigentlich ein ganzes Bündel an Ängsten: Angst vor Unbekanntem, vor Verantwortung, vor sozialer Ablehnung. Damit musst du erst einmal fertig werden.
    Die einschneidendste Wirkung des Erfolgs aber ist: Es gibt kein Zurück mehr.
Gemma hoam
    Im Fall eines Wahlsieges der CDU im Jahr 2005 sollte der damalige bayrische Ministerpräsident Edmund Stoiber als Wirtschafts- und Finanzminister nach Berlin gehen. Ein Sprung von der Landes- auf die Bundesebene als »Super-Minister« für zwei eigens für ihn zusammengelegte Ministerien. Die beiden drängendsten Probleme der damaligen Zeit – den Schuldenberg und die Arbeitslosigkeit – sollte er lösen. Ein gigantischer Erfolg für den Politiker! Bundeskanzler zu werden wäre der nächste logische Schritt gewesen.
    Die Wahl wurde gewonnen, Stoiber nach Berlin gerufen. Doch er hielt es dort nicht lange aus. Schnell merkte er, dass es einen riesigen Unterschied macht, im eigenen Bundesland König zu sein oder ein der Bundeskanzlerin untergeordneter Minister. Stoiber wurde klar, dass er weitab von München Angela Merkel nicht gewachsen war. Und auch Eheprobleme machten ihm große Sorgen. Jahre später sagte er einmal: »Auf Angela Merkel war kein Verlass. Und meine Ehe war nach vierzig Jahren in Gefahr.«
    Am 18. Oktober 2005 fand die konstituierende Sitzung des 16. Deutschen Bundestages statt. Am 1. November, noch bevor er als Minister vereidigt worden war, teilte Stoiber mit, dass er nach Bayern zurückkehren wolle. Knappe zwei Wochen hatte er es in Berlin ausgehalten.
    Geradezu fluchtartig verließ er die Hauptstadt und kehrte nach München zurück. Der Preis für seinen Machtverzicht war hoch. Schon sein Parteifreund Theo Waigel hatte Stoibers Rückzug scharf kritisiert: »Wenn Edmund Stoiber glaubt, in München dort weitermachen zu können, wo er aufgehört hat, dann täuscht er sich.« Die Stimmen aus Opposition und Presse waren hämisch bis ehrabschneidend. Guido Westerwelles »Leichtmatrose« war da noch relativ maßvoll. Der Spiegel nannte ihn einen »Selbstzerstörer« und »Hasenfuß der deutschen Politik«.
    Stoiber erholte sich von seinem Ausflug nach Berlin nie mehr. 2007 trat er als Ministerpräsident und als Vorsitzender der CSU zurück.
    Wenn du Erfolg hast und du dich anschickst, dein gewohntes Umfeld zu verlassen, dann geht es nicht mehr auf derselben Höhenlinie weiter. Dann geht es nur bergauf – oder bergab. Du ziehst es durch. Oder du versuchst, im letzten Moment und mit eingezogenem Schwanz doch lieber wieder zum alten Leben zurückzukehren. Aber das alte Leben, das gibt es dann nicht mehr.
    Es ist wie der Sprung vom Fünfmeterturm. Sobald du die Kante überschritten hast, gibt es kein Zurück mehr für dich. Wenn du den Vertrag unterschrieben hast, gilt er. Wenn du vor dem Standesbeamten »Ja« gesagt hast, dann kannst du nicht wieder zurück. »Ich hab’s ja nicht so

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