Huebsch in alle Ewigkeit Roman
Überreste zurückgelassen? Ich suche den Raum nach meiner Leiche ab. Aber da ist nichts, nur die Codekarte, die vor dem Schrank liegt. Die Tür ist jetzt etwa einen halben Meter geöffnet - und davor stehen Kowarsch und Walburga.
»Vielleicht habe ich sie hier verloren«, sagt Kowarsch, und in dem Moment, in dem er und seine Sekretärin hereinkommen, fliege ich durch den Türspalt hinaus.
»Ah, da ist die Karte ja«, höre ich Walburga noch rufen.
Ich flattere durch den Flur und wundere mich, was los ist. Wieso kann ich fliegen? Ich schaue auf meine Arme und merke, dass sie nicht da sind. Stattdessen sehe ich ein paar schicke schwarze Flügel. Hä? Die sehen aus wie von einer … Fledermaus!
Wie cool ist das denn? Als Kind hatte ich Träume, in denen ich fliegen konnte, aber das hier ist noch viel genialer. Meine Flügel schlagen wie wild, aber es ist kein bisschen anstrengend, ich bin superschnell und habe null Probleme, mich zu orientieren. Als hätte ich ein eingebautes Navigationsgerät in mir! Ich bin begeistert! In Windeseile bin ich vor meinem Büro. Dann fällt mir ein, dass ich keinen Schimmer habe, wie ich mich wieder in mich zurückverwandele, doch da plumpse ich auch schon auf den Flur. Ups. An der weichen Landung muss ich noch arbeiten. Ich warte darauf, dass der Schmerz mein Steißbein durchfährt, aber nichts ist. Prima. Vampir zu sein hat doch ziemlich viele Vorzüge. Vor allem wenn man bei Bedarf mal eben in die Luft aufsteigen kann!
Ich rücke meinen Rock zurecht, fahre einmal durch mein Haar (als ob das irgendetwas besser machen würde)
und husche durch die Tür. Brunner nicke ich kurz zu, dann setze ich mich an meinen Platz und arbeite weiter, als wenn nichts geschehen wäre. Dabei bin ich natürlich total aus dem Häuschen. Eine Fledermaus zu sein fühlt sich einfach super an. Diese Leichtigkeit! Diese Schnelligkeit! Ich kann es kaum erwarten, Vivian davon zu erzählen! Ich bin so überwältigt von meiner kleinen Metamorphose, dass ich für einen Moment glatt den Einbruch in das Identitätsregister vergesse.
Doch dann läutet bei Brunner vorne das Telefon (wir kleinen Büroschaben haben natürlich keinen eigenen Apparat), und er ruft: »Burmanns, Telefon!«
Mir wird plötzlich angst und bange. Was ist, wenn Kowarsch weiß, dass ich ihm die Karte geklaut habe? Für so eine Aktion kommt man doch mindestens ins Zuchthaus, und nach allem, was man davon hört, ist jedes Dritte-Welt-Gefängnis ein Bällebad gegen eine Vampirvollzugsanstalt.
Brunner reicht mir den Hörer. Ich sehe, wie er meinen Hintern in dem Minirock angafft, und dehne die Telefonschnur, um so weit wie möglich von ihm wegzukommen. Noch einen Grapschangriff könnte ich heute nicht ertragen. Außerdem möchte ich nicht unbedingt, dass er mithört. Wer weiß, wer da dran ist.
»Vivian Schlevogt vom Sicherheitsministerium«, sagt Vivi in geschäftsmäßigem Ton, und mir fällt eine Zentnerlast von den Schultern. »Ich wollte nur mal hören, ob die Akte zum vereinbarten Zeitpunkt fertig wird.«
»Nicht ganz«, sage ich. »Die Bearbeitung ist schwieriger, als ich dachte.«
»Aha. Und dann wollte ich Sie wissen lassen, dass ich Sie nicht erreichen konnte und mir Sorgen um die … Erledigung der Aufgabe gemacht habe.«
»Ja.«
»Sind Sie denn ab jetzt wieder wie üblich zu erreichen?«
Ich taste unter meiner Bluse nach meinem Mobiltelefon. Doch es ist nicht da. Oh nein! Panikattacke! Ich hab es verloren. Und das kann nur eines bedeuten. Ich habe es im Identitätsregister vergessen! Mein Handy mit dem Foto von Vivi und mir auf dem Display muss irgendwo zwischen den Akten mit den Buchstaben Sch sein. Das könnte mein Todesurteil sein.
»Nun, Frau Burmanns? Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit«, sagt Vivian gespielt streng.
»Sie können mich nur unter der Nummer von meinem Vorgesetzten Richard Brunner anrufen«, sage ich schnell und lege auf, weil mir gerade ein bisschen schwindelig wird. Denn in diesem Moment geht die Tür auf, und Ludwig Kowarsch und Walburga Heimlich marschieren herein. Und sie sind sicher nicht hier, um Fleißsternchen zu vergeben. Verdammt noch mal. Einmal auf der Flucht, immer auf der Flucht. Und das Schlimmste an dem Leben auf der Flucht ist: Man kann jederzeit erwischt werden. Mit zitternden Beinen eile ich an meinen Platz, der zum Glück in der letzten Reihe steht.
»Es gibt da einen unerfreulichen Vorfall«, sagt Kowarsch, und man hört den Zorn unter seinem sanften Stimmchen brodeln.
Ich schaue
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