Huebsch in alle Ewigkeit Roman
Wasseranschluss und antiken Küchenschränken. Dass hier offensichtlich seit Jahrzehnten keiner mehr gekocht hat, sieht man am Fehlen jeglicher Lebensmittel und Gebrauchsspuren.
»Und was soll ich machen?«, fragt Vivian. »Häppchen servieren, die keiner isst?« Sie lacht gekünstelt.
»Sieh mal einer an, du bist ja wirklich schwer auf zack.« Und zu unserer großen Überraschung zeigt Tessa auf mehrere Glasplatten mit feinen Hors d’oeuvre. »Das gehört zu dem Ahap-Partykonzept, das ich entwickelt habe«, prahlt sie.
»Ahap?«, frage ich.
»As human as possible, as happy as possible - das ist der Trend. Wir sind zwar keine Menschen, aber wir brauchen nicht auf die Annehmlichkeiten der menschlichen Welt zu verzichten. Und Personal ist für diese Art Feier nun mal unverzichtbar. Und deswegen jetzt hopp, hopp!« Sie wirft uns lange weiße Servierschürzen zu. So schnell rutscht man also aus der Wichtige-Leute-Abteilung in die Knecht-Klasse.
»Was bildet sich Ture, dieser Lackaffe, eigentlich ein?«, tobt Vivian, als Tessa rausgegangen ist. »Dass ich seine private Sklavin bin, oder was? Der kann was erleben.«
Sie schnappt sich eine Platte mit Lachs- und Kaviarhäppchen und betrachtet sie angewidert. »Jetzt müssen wir bei so einem Schwachsinn mitmachen. Das Ahap-Partykonzept? Die Alte spinnt doch!«
»Ich finde das gar nicht so schlecht«, sage ich, aber weil Vivian mich wütend anstarrt, schiebe ich schnell nach: »Ich meine, es sieht schon lecker aus.« Ich versuche mir die Schürze umzubinden, aber sie ist zu lang. Mist. »Hilfst du mir mal, sie zu kürzen?«
Während Vivian an meinem Schürzenbund rumfummelt, sagt sie: »Tessa. Das ist nie im Leben ihr echter Name. Die heißt doch in Wahrheit sicher Gundula oder Elfriede.«
Ich kichere. Da rauscht Tessa rein. »Auf was wartet ihr noch? Die Gäste im Pariser Salon sind hungrig auf Abwechslung!« Sie klatscht in die Hände und beobachtet unseren Abgang.
Vivian geht vor, die Glasplatte schwebt neben ihrem Kopf, ich folge ihr, mein Tablett ebenfalls auf die Hand gestützt. Also wirklich. Da bin ich mein ganzes echtes Leben ohne Kellnern ausgekommen, und plötzlich bin ich die Serviererin des Fürsten der Hölle. Wie sich das in meinem Lebenslauf wohl machen wird?
Wir betreten durch die weit geöffneten Kassettentüren den Pariser Salon, oder besser gesagt - so würde ich ihn jedenfalls nennen - das Protzzimmer. Die Decke ist mindestens sechs Meter hoch, und rundherum führt eine säulenverzierte Balustrade. Die Wände darunter sind mit rotem Samt überzogen, und daran hängt eine Ahnengalerie der gruseligsten Sorte mit Gemälde von humorlosen Gestalten mit gespitzten Zähnen und dämonisch blitzenden Augen. Ein wagenradgroßer Kronleuchter baumelt von einem dicken Seil in die Mitte des Saals hinunter. Linker Hand steht ein weißer Flügel, und ein befrackter Mann mittleren Alters sitzt total verkrampft auf dem Klavierhocker und bearbeitet die Tasten, um ihnen eine entspannte Barmusik zu entlocken. Stehtische, die mit weißem Leinen verhangen wurden, wachsen wie Pilze aus dem Boden, und etwa drei Dutzend Leichen geben sich große Mühe, amüsiert zu tun. Aber entweder sind sie alle aus der Übung, oder das dämliche Partykonzept von Großmaul Tessa zündet überhaupt nicht. Jedenfalls stehen alle stocksteif da und wissen offensichtlich nicht,
wie man sich entspannt an einen Stehtisch lehnt. Was hier eine Palette Kleiner Feigling alles bewirken könnte! Vampire brauchen dringend einen Alkoholersatz, so viel steht mal fest. Wie will man eine Party mit solchen Muffköppen sonst in Schwung bringen? Na ja, ich würde an Tessas Stelle jedenfalls mal ganz schnell den Pianomann in Rente schicken und stattdessen Ballermann-Hits auf volle Lautstärke aufdrehen. Ich fände das Zusammentreffen dieser versteinerten Schnarchnasen mit Mickie Krauses »Geh doch zu Hause, du alte Scheiße« jedenfalls sehr reizvoll.
Vivian und ich beginnen unsere Runde durch die Menge. Die Bleichgesichter glotzen uns an, als hätten wir Pappnasen auf. Natürlich lassen alle ganz figurbewusst die Finger von den Häppchen. Man könnte fast meinen, man sei auf der Fashion Week. Außer dass hier natürlich niemand nach der neuesten Mode gekleidet ist. Noch nicht mal nach der Mode der vergangenen Saison. Eigentlich weiß ich überhaupt nicht, wann das Zeug, das die Leute tragen, jemals aktuell gewesen sein soll. Zwischen den schlecht sitzenden Anzügen, sackartigen Überwürfen und langen
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