Huebsch in alle Ewigkeit Roman
Korsettkleidern würde sogar mein Don-Johnson-Jackett als topmodern gelten!
Vivian und ich treffen uns mit unseren unberührten Tabletts an der Bar, die am rechten Rand des Saals aufgebaut ist, und die natürlich ebenfalls nicht frequentiert wird. »Ich glaube, die Schnittchen kommen nicht gut an«, sagt Vivian befriedigt.
Ich stelle mein Tablett mit den Crackern mit Garnelen und Parmaschinken neben ihrem auf der Theke ab. »Ich
hätte ja nicht übel Lust, ein paar von den Dingern zu essen«, sage ich.
»Mach doch.«
»Ach nee, dann weiß ich nachher wieder nicht, wo ich hinkotzen soll.«
Wir beobachten Ture, wie er sich mit einigen älteren Herren unterhält und ihnen jovial auf die Schulter klopft. Seine gegelte Frisur glänzt im Schein des Kronleuchters.
»Dieser Stenz mit seinem Kletschkopp«, zischt Vivian, »das wird er mir büßen.«
»Oh, oh«, mache ich erschrocken und drehe mich um. »Richard Brunner auf neun Uhr!« Vivian schaut über meine Schulter auf meinen Vorgesetzten, der gerade reingekommen ist. »Ihh, was für eine Hackfresse.«
»Apropos«, kichere ich und deute auf die Ahnengalerie an der Wand. Wir betrachten die Bilder - verblichene Damen und Herren in mittelalterlichen Outfits in steifer Haltung vor antiker Szenerie. Wie im Museum. Vivian zeigt auf das zweite Bild von rechts, auf dem eine Greisin mit hafergrützefarbenen Augen zu sehen ist, deren faltige Pergamenthaut nur noch wenige Minuten von der totalen Verwesung zu trennen scheinen.
»Tsss«, macht Vivian, »bei der Mumie hätte man sich aber ruhig etwas mehr Mühe mit der Einbalsamierung geben können.«
»Bei der letzten Ölung ist es eben zu spät, mit Gesichtspflege anzufangen«, lästere ich.
»Aber was sie böse gucken kann!«
»Wahrscheinlich hat sie in den Spiegel geguckt und sich erschrocken!«, pruste ich.
»Was für ein unglaublicher Gesichtskadaver«, fasst Vivian zusammen.
Hinter uns räuspert sich jemand, und wir drehen uns um. Eine winzige Frau funkelt uns mit hafergrützefarbenen Augen an. »Wie bitte?«, fragt sie scharf.
»Ich wollte gerade sagen, die Alte auf dem Bild sieht aber schrecklich …«, fängt Vivian an, aber ich stoße sie in die Rippen. Jetzt bemerkt sie es auch. Die Frau vor uns und der Gesichtskadaver sehen sich verdammt ähnlich. Ups.
»Champagner?«, fragt Vivian ungerührt und drückt der verdutzten Mumie ein Glas in die Hand. Wir beobachten, wie sie in der Menge verschwindet, und fangen an zu kichern.
»Hey, ihr zwei«, herrscht die heranrauschende Tessa uns leise an, »ihr seid nicht zum Vergnügen hier!«
Sie schickt uns wieder los. Was für eine sinnlose Aktion! Genauso gut könnte man Sand in der Wüste verkaufen. Aber das Schlimmste ist: Ich kann es nicht vermeiden, Richard Brunner in die Arme zu laufen, der gerade eine blasiert guckende ältere Dame mit pfundweise Geschmeide um den Hals anschleimt.
»Sieh mal einer an …«, säuselt er. »Das Fräulein Burmanns mal wieder mit vollem Körpereinsatz.« Er freut sich sichtlich, dass er jemanden gefunden hat, der in der Hackordnung unter ihm steht. Ich wiederum bin erleichtert, dass nur er da ist und nicht auch noch Ludwig Kowarsch, der alte Grapscher. Ich setze mein gleichgültigstes Gesicht auf und halte Brunner die Glasplatte unter die Nase.
»Schnittchen?«, frage ich. »Die mit Frischkäse sind sehr zu empfehlen.«
Er ist irritiert. »Das macht man jetzt so«, sage ich. »Herr Ture jedenfalls hat schon eimerweise davon gegessen.«
»Ehrlich? Aber …«
»Ahap«, verkünde ich. »As human as possible, as happy as possible. Das ist die Devise für heute. Oder gefällt Ihnen die Party von unserem Sicherheitsminister und Polizeichef etwa nicht?« Ich schaue die Dame neben ihm empört an.
»Doch, doch natürlich«, sagt Brunner schnell und nimmt sich in jede Hand ein Häppchen. Die juwelenbehangene Dame wehrt das Angebot mit einer knappen Handbewegung ab.
»Guten Appetit«, wünsche ich. Ich bleibe lächelnd stehen. Brunner guckt die Kanapees an, als wären es Känguruhoden und er ein Promi im RTL-Dschungelcamp. Die Dame und ich sehen ihm zu, wie er sich windet.
»Ist einfach schon ein bisschen länger her, dass ich …«, druckst er.
Kasimir Ture geht in der Nähe vorbei, und ich nicke ihm freundlich zu. Brunner verfolgt meinen Blick, und als er Ture sieht, schiebt er sich mit verkrampftem Lächeln einen Frischkäse-Cracker in den Mund. Na also, geht doch. Zufrieden laufe ich aus dem Pariser Salon Richtung Küche. Schon
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