Hühner Voodoo (German Edition)
wenig, so sehr mit den Gedanken an Britta beschäftigt gewesen zu sein, dass sie gar nicht, wie sie es sonst zu tun pflegte, in eins der größeren Hotels gegangen war, um ihren Kaffee zu trinken. Kostenlos natürlich. Wenn man nämlich etwas geschäftig tat, konnte man am Cerberus des Frühstücksbuffets, der normalerweise nach der Zimmernummer fragte, einfach vorbeigehen, mit der Mitteilung: «Ich brauche nur schnell einen Kaffee zum Mitnehmen, habe heute leider keine Zeit für Ihr wundervolles Frühstück.» Je nach Lage der Situation frühstückte sie dann doch ausgiebig, oder aber sie nahm sich zu ihrem Kaffee noch ein Croissant und ging wieder.
Nun gut, sie würde diese Ausgabe als Investition betrachten. Denn wenn es ihr gelänge, Britta wieder zum Ausziehen zu bewegen, war das 2,90 Euro wert. Sie würde sogar Trinkgeld geben. Sie würde auf drei Euro aufrunden.
Gwendolyn zog ihr Smartphone heraus. Sie war weniger an der eigentlichen Funktion eines Telefons, also an der Möglichkeit, mit anderen Leuten zu sprechen, interessiert, sondern daran, dass man in Windeseile jedes Thema der Welt recherchieren konnte. Unter dem Namen Klara Einstein setzte sie das Smartphone als Haushaltshilfe von der Steuer ab. Klara lieferte die gesuchten Informationen erwartungsgemäß innerhalb von wenigen Minuten. Gwendolyns Fähigkeiten, ein Smartphone zu bedienen, entsprachen dem eines zehnjährigen Kindes. Was in diesem Falle bedeutete: Sie war sehr gut. Sie hatte herausgefunden, dass es in der Stadt eine Niederlassung einer größeren Kette mit Namen Flower Power gab, dass der Name der Filialleiterin Monika Mertens war, der Inhaber Rudolph Kaufmann hieß und weit weg wohnte. Sie schrieb sich in seinem Namen selbst eine E-Mail, legte drei Euro auf den Tisch, sah noch einmal bedauernd auf das Geld und machte sich auf den Weg zu Flower Power .
Im Laden fragte sie nach Frau Mertens.
Als die Filialleiterin kam, setzte Gwendolyn ihr nettestes Lächeln auf. «Ich soll Sie herzlich von Rudolph Kaufmann grüßen.» Nachdem das nur mit einem Nicken quittiert wurde, fügte sie hinzu: «Rudi und ich sind alte Freunde, wir waren sogar einmal verlobt.» Die Aufmerksamkeit der Filialleiterin steigerte sich. Aber nur so weit, dass sie fragte: «Was kann ich für Sie tun?»
«Sie können Rudi, also Herrn Kaufmann, einen Gefallen tun. Seine Nichte, Britta Herzog, ist Floristin und wohnt zurzeit bei mir. Sie sucht einen Job, aber sie will sich nicht von ihrem Onkel dabei helfen lassen.» Sie machte eine Pause, verdrehte leicht die Augen und seufzte: «Kinder!»
Die Filialleiterin zeigte allerdings Anerkennung. «Das ist doch sehr lobenswert.»
Gwendolyn nickte. «Natürlich, Sie haben ja recht. Dennoch möchte er, dass seine Nichte hier in seiner Filiale arbeitet, er hat Pläne mit ihr.»
Das Interesse stieg, allerdings mit Vorbehalt. Wahrscheinlich fürchtete sie um ihren Job. Da musste Gwendolyn rasch gegensteuern. «Rudi hält große Stücke auf Sie.»
«Ist ja seine Nichte.»
«Nein, auf Sie, Frau Mertens.»
«Oh.»
Gwendolyn lächelte milde. «Deshalb möchte er, dass seine Nichte hier unter Ihrer Führung arbeitet, dass Sie sie unter Ihre Fittiche nehmen und dass Britta dann, nach ein paar Jahren, in der Zentrale arbeitet.»
Frau Mertens entspannte sich wieder und zeigte Anzeichen von Stolz. Wunderbar.
«Es gibt da nur ein kleines Problem.»
Höchste Aufmerksamkeit. «Ja? Welches denn?»
Gwendolyn zog ihr Smartphone heraus. «Warten Sie, ich will jetzt nichts Falsches sagen.» Sie hielt das Gerät so, dass die Filialleiterin einen Blick auf das Display werfen konnte, und las laut vor: «Liebe Trudi, …» Sie unterbrach kurz, sah Frau Mertens an und schwelgte in seliger Erinnerung: «Trudi und Rudi, wir waren ein wundervolles Paar.»
Nachdem keine Reaktion von der Filialleiterin kam, wandte sie sich wieder dem Smartphone zu: «… lieb, dass du Britta bei dir aufgenommen hast, dafür bin ich dir unendlich dankbar. Aber nun habe ich noch eine Bitte: Du weißt ja, dass Britta es hasst, wenn ich mich in ihr Leben einmische, deshalb bitte ich dich nun darum. Sprich mit Frau Mertens, sie soll Britta in der Filiale unterbringen und sich etwas um sie kümmern. Aber auf gar keinen Fall soll Britta davon erfahren, und ich möchte auch nicht, dass Frau Mertens mich darauf anspricht, wenn ich vorbeikomme. Ich werde mich auch Britta gegenüber ganz neutral verhalten, so als wären wir nicht verwandt, weil es sonst Unruhe in der Filiale
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