Hühner Voodoo (German Edition)
leise mit: «Da will mir jemand Hühner verkaufen. Er sagt, er sei ein Großhändler.»
Hühner-Großhändler? Gott, was es nicht alles gibt, dachte Gwendolyn.
«Was soll ich tun? Brauchen wir Hühner?», fragte Bernadette.
«Frag ihn, wie er auf die Idee kommt, dass wir Hühner brauchen.» Vielleicht hatte er ja eine interessante Geschäftsidee.
«Wegen der Karte. Hühner Voodoo. Ich glaube, er hat da was missverstanden.» Empört fügte sie hinzu: «Er denkt, wir opfern lebende Hühner und brauchen ständig neue.»
«Leg auf.»
Bernadette war empört. «Wie kommt er bloß auf so eine Idee?!»
«Die Visitenkarte ist vielleicht etwas missverständlich», sagte Gwendolyn mit einer Mischung aus Spott und Vorwurf. Kurz darauf wurde ihre Aussage bestätigt.
Es klingelte an der Praxistür, und ein Mann mit zwei Hühnern unter dem Arm stand davor. Bäuerliche Herkunft, entschied Gwendolyn. Nicht nur wegen der Hühner, auch wegen seiner Kleidung. Weite, alte Cordhose, abgewetzte Arbeitsjacke, nach deren Taschen sich die Hühner die Köpfe verdrehten.
«Ich habe Ihre Karte …», begann er.
Weiter kam er nicht. Gwendolyn unterbrach ihn. «Vielen Dank, aber wir brauchen keine Hühner. Und an der Haustür kaufen wir eh nichts.»
Der Mann sah sie empört an. «Aber ich würde meine Hühner doch niemals verkaufen!»
«Ach? Und wieso sind Sie dann hier?»
«Wegen des Hühner Voodoos. Meine Hühner brauchen Hilfe.»
Gwendolyn riss ungläubig die Augen auf. «Wie bitte?»
«Ich dachte, Sie könnten sie behandeln.»
«Wie kommen Sie auf die Idee, dass wir Hühner behandeln?»
«Wegen Ihrer Karte. ‹Hühner Voodoo› steht drauf.»
Gwendolyn überlegte kurz, ob sie ihrem ersten Impuls, laut zu lachen, nachgeben sollte. Aber dann entschied sie sich dagegen. Sie war schließlich Geschäftsfrau.
«Aber ja. Natürlich. Kommen Sie rein. Wir können jetzt ein kurzes Vorgespräch führen, für eine richtige Behandlung müssen Sie einen Termin ausmachen, damit wir uns vorbereiten können.»
Um zum Beispiel die Hühnerknochen-Girlande im Voodoo-Zimmer abnehmen zu können, denn sie hielt es für psychologisch ungünstig, wenn ihre neuen Patienten Knochen ihrer eigenen Spezies dort entdecken würden. Sie könnten die richtigen Schlüsse ziehen.
Gwendolyn öffnete die Tür nun ganz, trat einen Schritt zur Seite und wies auf ihr Behandlungszimmer.
Bernadette blickte verblüfft auf den Mann mit den beiden Hühnern unterm Arm.
Gwendolyn sah sie beschwörend an und sagte: «Wir haben Kundschaft.»
Bernadette nickte dem Mann freundlich zu. «Guten Tag. Ich bin Luna Madison. Wie können wir Ihnen helfen?»
Gwendolyn schnappte nach Luft.
Der Mann setzte die Hühner ab und gab Bernadette die Hand.
«Meierdierks. Johann Meierdierks», stellte er sich vor. Dann drehte er sich zu Gwendolyn. «Und Sie sind?»
«Bernadette Kunz», knurrte Gwendolyn und warf Bernadette einen ärgerlichen Blick zu.
«Ich hatte mal ein Huhn, das Bernadette hieß», informierte Meierdierks die beiden Damen. Beide waren nicht amüsiert.
«Was haben Sie denn für ein Problem?», erkundigte sich Bernadette.
«Die beiden Hühner sind die Patienten», sagte Gwendolyn scharf und fügte autoritär hinzu: « Ich werde das übernehmen.»
Sie hoffte, dass Bernadette gelassen reagieren würde.
Bernadette wirkte etwas verblüfft und blickte nachdenklich auf die beiden Tiere, die rechts und links zu Meierdierks’ Füßen standen und sich nicht von der Stelle bewegten. Schließlich nickte sie, schlug ein Kreuz über ihnen und sagte: «Ich werde ein paar Ave-Maria für die beiden beten.» Mit wehendem Gewand verschwand sie in ihrem Zimmer.
Gwendolyn gab Bernadette in Gedanken einen Pluspunkt. Das war pfiffig.
Meierdierks sah auf die geschlossene Tür. «Sollte sie denn nicht die Behandlung machen?»
«Wieso?»
«Weil sie Luna Madison ist.»
«Sie wird für sie beten. Ich behandle.»
Gwendolyn deutete auf die Couch. «So, dann nehmen Sie bitte Platz und schildern Sie mir das Problem. Dann kann ich Ihnen sagen, ob wir etwas für Sie … für Ihre Hühner tun können.»
Meierdierks ging zur Couch, die beiden Hühner blieben an seiner Seite. Als er saß, hüpften sie rechts und links neben ihn und pickten an seinen Jackentaschen herum.
Gwendolyn setzte sich ihm gegenüber auf den Sessel und überlegte: Sollte sie das rügen? Oder hatten alle Patienten, egal welcher Rasse und Gattung sie angehörten, das Recht auf dem Sofa zu sitzen? Nun ja, solange sie
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