Hühner Voodoo (German Edition)
Judith, man muss jeden Tag genießen. Willst du mich heiraten?»
Judith sah ihn fassungslos an. Was redete er da? Wie kam er zu dem Schluss, dass, wenn das Leben kurz war und man jeden Tag genießen muss, sie ihn heiraten sollte? Das entbehrte jeder Logik. Im Gegenteil. Wenn seine beiden ersten Thesen stimmten, dann zog er definitiv die falsche Schlussfolgerung.
Sie war empört, beschränkte sich jedoch zunächst darauf, gekränkt zu wirken: «Du machst mir auf einer Beerdigung einen Heiratsantrag?»
Ernst überlegte, was für eine Art von Frage das war. Und wie die richtige Antwort lauten müsste.
Judith entschied, dass sie ihm besser keine endgültige Absage erteilen sollte. Man weiß ja nie, ob Plan E nicht doch einmal zum Plan A avanciert.
Ernst sagte zögernd das, was er meistens sagte, wenn er nicht wusste, was Leute von ihm erwarteten: «Es tut mir leid.»
Er entspannte sich, als Judith lächelte und sagte: «Vergessen wir’s. Mach dir keine Vorwürfe.»
«Danke, Judith.»
Judith war wirklich sehr großzügig. Ernst hoffte, dass sie ihm bei Gelegenheit sagen würde, was er falsch gemacht hatte. Und Judith hoffte, dass sie nie auf dieses Angebot zurückkommen müsste. Ihre Sehnsucht nach Frederick wurde größer.
Ein paar Tage später hatten Gwendolyn und Bernadette ihre Nachforschungen abgeschlossen. Das Studium der Ackermann’schen Familienchronik und des kleinen Büchleins Journal meines Handels mit dem Teufel war außerordentlich ergiebig. Und beunruhigend.
Frederick Ackermann hatte mit seinem Seufzer, dass wohl ein Fluch auf ihm liege, ins Schwarze getroffen.
Gwendolyns und Bernadettes Recherchen hatten Folgendes ergeben:
Im Jahre 1348 erkannte ein cleverer Vorfahr Fredericks die Zeichen der Zeit (es war die Blütezeit der Pest) und gründete ein Leichenbestattungsunternehmen. Seit dieser Zeit ernährte diese Branche Generation um Generation die Ackermanns. Und zwar nicht schlecht. Vor etwa 250 Jahren, im Jahre 1763, ließ sich ein nicht so cleverer Vorfahre Fredericks auf einen Deal mit dem Teufel ein. Fredericks Ahne hatte gerade ein sehr schönes großes Gebäude erstanden – das Haus, in dem Frederick auch heute noch lebte und arbeitete – und sich dabei finanziell etwas übernommen. In Ermangelung einer vertrauenswürdigen Bank mit Kreditabteilung wandte er sich, wie so viele damals, an den Teufel. Der half gerne. Wie das so ist, wenn man in Not ist, lässt man sich auf jede Bedingung ein, in diesem Falle waren es 50% des jährlichen Umsatzes, die an den Teufel als Zins zu zahlen waren. Als die Geschäfte wieder besser liefen, setzte Reue ein. Nicht über die Tatsache, dass er mit dem Teufel einen Deal geschlossen hatte, sondern über die Höhe der Zinsen. Die Nachverhandlungen schlugen fehl, der damalige Ackermann begann, die Umsätze zu fälschen, im Glauben, er könne den Teufel betrügen. Keine gute Idee. Daraufhin belegte der Teufel das Unternehmen mit einem Fluch: In jeder Generation gehört ein männlicher Ackermann dem Teufel – und der darf nicht heiraten. Wagte er es dennoch, «einem weiblichen Wesen die Ehe anzutragen», kam es auf der Stelle zu Tode.
Diese Bedingung wurde über viele Generationen hinweg unwissentlich erfüllt. Es gab stets eine Menge Ackermanns, und in jeder Generation blieb immer mindestens einer der zahlreichen Ackermänner Junggeselle.
Mit dem Tode von Fredericks Vater brachen die Aufzeichnungen in der Familienchronik ab. Und wenn sie korrekt geführt worden war, gab es zum ersten Mal seit Bestehen des Fluchs jetzt nur noch einen einzigen männlichen Ackermann: Frederick.
Gwendolyn und Bernadette saßen sich gegenüber und sahen sich etwas ratlos an.
«Müssen wir das ernst nehmen?», fragte Gwendolyn.
«Aber ja. Wir sollten ihn warnen.»
«Du glaubst also tatsächlich daran?»
«Daran muss man nicht glauben. Es steht doch hier. Schwarz auf weiß. Na ja, sagen wir bräunlich auf beige.» Bernadette hob das kleine, alte Büchlein hoch. «Und wir haben ja auch schon den Beweis, dass es stimmt. Gleich dreimal ist es Frederick Ackermann passiert!»
Gwendolyn gefiel diese Entwicklung nicht besonders gut.
«Wir sind raus, Bernadette. Wir suchen uns neue Kunden und servieren diesen Ackermann ab.»
«Aber nein. Wir können ihn doch jetzt nicht im Stich lassen! Er braucht Hilfe.»
«Sollen wir ihm sagen, er soll dem Teufel die Schulden, die sein Vorfahr gemacht hat, zurückzahlen, und dafür soll der Teufel den Fluch von ihm nehmen?»
«Das wäre
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