Hühner Voodoo (German Edition)
doch eine Erklärung für seinen Besuch. Sie war ihm gerade eingefallen: «Ich bin gekommen, um mich nach dem Rosenstrauß zu erkundigen.»
«Dem geht’s gut.»
«Erfüllt er seine Aufgabe?»
«Welche wäre das?»
«Er soll Ihnen Freude machen. Ich hoffe, er tut es.»
«Fragen Sie ihn selbst.»
Sie deutete auf einen bunten Rosenstrauß, der zwischen all den anderen Blumen stand. «Hier ist er.»
«Sie haben ihn nicht mit nach Hause genommen?»
«Aber nein. Wieso denn? Dann sehe ich ihn doch kaum. Meine wache Zeit verbringe ich schließlich hier.»
«Aber hier ist doch alles voller Blumen. Da fällt er doch gar nicht auf.»
«Mir fällt er auf. Ich würde ihn unter Hunderten von Sträußen erkennen. Er ist perfekt.»
«Ja, manchmal trifft man ganz unerwartet auf etwas Perfektes, und es zieht einen magisch an. Man kann nichts dagegen tun.»
«Reden wir noch über den Strauß?»
Er nutzte die gute Vorlage nicht. Ihr intensiver Blick machte ihn nervös.
Die Ladenklingel erlöste ihn. Kundschaft. Britta verzog das Gesicht. Noch zwei weitere Kunden betraten das Geschäft.
Britta seufzte. «Ich befürchte, es kommt nicht gut an, wenn ich den Kunden sage, ich hätte jetzt keine Lust, sie zu bedienen. Ich werde wohl …» Sie stopfte sich den Rest des Donuts in den Mund und hüpfte von ihrem Hocker.
«Kommen Sie morgen wieder?», fragte sie.
«Ja. Und morgen bringe ich das Essen mit. Und danke für den Donut.
«Den haben Sie doch gar nicht gegessen.»
«Stimmt. Na, dann danke, dass ich ihn kurz halten durfte.»
«Gern geschehen.»
«Also, bis morgen.»
Und wieder stellte sich bei Frederick dieses Gefühl der Leichtigkeit und Beschwingtheit ein, das für den restlichen Nachmittag anhielt.
Von da an begann Frederick, sich täglich eine Mittagspause zu gönnen. In Brittas Laden. Er kaufte Sandwiches, Salate oder Crêpes für sie und sah ihr beim Essen zu. Er aß nicht. Er hatte keinen Hunger, er war zu glücklich. Bei einem Tomaten-Mozzarella-Ciabatta gingen sie zum Du über. Nach zwei Wochen kam er auf die Idee, sie vorher anzurufen und sich nach ihren Essenswünschen zu erkundigen.
Britta schien das weder merkwürdig noch aufdringlich zu empfinden, sie freute sich wie ein kleines Kind über das Essen, das er ihr vorbeibrachte, und wenn sie gerade keine Kunden hatte, plauderten sie. Unbefangen, fröhlich, über dies und jenes. Er achtete sorgsam darauf, das Thema Tod, Beerdigung oder Bestattungsunternehmen zu meiden; er befürchtete, dass die Preisgabe seines Berufes der unbeschwerten Atmosphäre einen Dämpfer versetzen würde. Es war wunderbar, mit Britta Zeit zu verbringen, aber auf keinen Fall sollte es eine romantische Note bekommen. Um Beziehungen würde er von nun an einen großen Bogen machen. Sie waren in seinem Fall mit zu großem Schmerz und Kummer verbunden. Auf Brittas ansteckende Fröhlichkeit jedoch wollte er auf keinen Fall verzichten. Seinen Flirt-Impuls konnte er inzwischen immer besser bekämpfen, und Britta hatte ihn noch kein einziges Mal nach seinem Beruf gefragt. Gutes oder schlechtes Zeichen? Er entschied sich für gut.
Heute wollte er den nächsten Schritt wagen: Er würde Britta zum Mittagessen einladen. Er war später dran als sonst. Diese nervige Judith Sowiekirchen hatte ihm in der Halle des Bestattungsinstitutes aufgelauert und versucht, ihn in ein Gespräch zu verwickeln. Er überlegte inzwischen ernsthaft, ob er ihr sagen solle, dass sich nur Kunden in seinem Geschäft aufhalten dürften. Keine Besucher. Also wenn sie nicht beabsichtigte, einen Sarg zu kaufen, hatte sie dort nichts zu suchen. Sie benahm sich, als wäre es ihr Unternehmen und kommandierte seine Angestellten herum. Das musste aufhören. Er hatte angenommen, sie sei die Freundin seines Buchhalters, deshalb hatte er sie bislang toleriert. Aber der schien sich inzwischen umorientiert zu haben; diese Ewa aus Polen machte immer verliebte Kuhaugen, wenn sie Ernst Lehmann begegnete, und der guckte auch jedes Mal ziemlich kariert, wenn er Ewa sah. Zwischen den beiden lief was. Vielleicht hatte Lehmann versäumt, diese Entwicklung seiner Judith mitzuteilen, und Judith war eine Ex, ohne zu wissen, dass sie eine Ex war. Jemand sollte ihr das mal beibringen. Musste nicht schonend sein.
Als er vor dem Blumenladen stand, zögerte er kurz. Dann straffte er sich, atmete tief durch und betrat den Laden.
«Gott sei Dank! Ich hatte schon befürchtet, mein Essenslieferservice hätte die Route geändert, und ich steh
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