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Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)

Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)

Titel: Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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eine Fähre. Eigentlich waren es zwei, doch die zweite lag meistens in der Mitte des Creeks fest, weil sie entweder kaputt oder – im günstigeren Fall – gerade repariert worden war und so lange wartete, bis die andere wieder kaputtging. Ohnedies hatte sich Tinchen beim Anblick dieser verrotteten Eisenkonstruktionen gewundert, daß sie nicht schon längst auseinandergefallen waren. Offenbar hielt sie nur noch die immer wieder über die Roststellen gepinselte Farbe zusammen.
    Sie hatten Glück. Dunkle Qualmwolken ausstoßend, näherte sich die Fähre dem Ufer, als der Taxifahrer – wunderbarerweise hieß er auch Moses – ungeachtet des wütenden Hupkonzerts an der wartenden Autoschlange vorbeipreschte. »Emergency!« brüllte er aus dem offenen Fenster, was soviel wie Notfall bedeutete und niemanden beeindruckte. Trotzdem waren sie die ersten auf dem Kahn, und Tinchen hatte Zeit genug, sich gründlich umzusehen. Insassen von Personenwagen durften in den Fahrzeugen bleiben, Passagiere von Bussen mußten aussteigen. Aus Sicherheitsgründen. Und dann wußte sie endlich, weshalb die kenianischen Linienbusse alle zerschrammt und zerbeult sind. Mit Schwung fuhren sie auf die Fähre, parkten mehr oder weniger nach Gehör, mit etwas Glück betrug der Abstand zum Nebenmann sogar mehr als drei Zentimeter, doch wenn es sich dabei um einen Lieferwagen mit überstehender Ladung handelte, hatten sie eben Pech gehabt. Dann hatte der Bus eine Schramme mehr und der Lkw-Fahrer eine Kiste Melonen weniger. Die waren während der verbalen Auseinandersetzung beider Kontrahenten in den Taschen und Körben der Fußgänger verschwunden. In Massen wieselten sie herum, standen überall dort, wo es verboten war, bepackt mit Netzen, Körben, zusammengeknoteten Stoffbündeln, toten Fischen, lebenden Hühnern, Gemüsekisten oder Zuckerrohr. Einer hatte sich unter jeden Arm ein quiekendes Ferkel geklemmt, ein anderer trieb zwei magere Kühe vor sich her, ein dritter schleppte sogar einen Nachttisch, mit Stricken auf seinem Rücken festgebunden. Feiertag hin oder her, samstags war Markttag in Kilifi.
    Nur langsam kam der Taxifahrer voran, immer wieder mußte er auf seine asthmatisch klingende Hupe drücken, bis der Weg in die Stadt endlich frei war. »On the right side you can see the islamic church.«
    Nun konnte Tinchen also auch die Moschee besichtigen, über die sie sich jeden Morgen ärgerte. Schön war sie nicht, im Gegenteil, der Turm war viel zu wuchtig, aber das mußte er wohl sein, sonst wäre er unter der Last der vier großen Lautsprecher zusammengebrochen. Ob es im Zuge der Personaleinsparung oder nur in Ermangelung geeigneter Bewerber keinen Muezzin mehr gab, hatte Tinchen nicht erfahren können, jedenfalls wurde pünktlich bei Sonnenaufgang das Tonband angestellt und beschallte nicht nur die gläubigen Moslems, sondern in erster Linie die Ungläubigen vom »Coconutpalmtrees«, die gerne noch ein bißchen länger geschlafen hätten.
    »Mag ja sein, daß dieses Gewimmere in afrikanischen Ohren melodisch klingt«, hatte Florian am ersten Morgen gestöhnt, »für mich hört es sich an, als ob man zwanzig Katzen gleichzeitig auf den Schwanz tritt.« Dann hatte er sich umgedreht und noch im Halbschlaf gebrummt: »Müssen wir uns das jetzt jeden Morgen anhören?«
    »Ja«, hatte Tinchen gesagt, »und auch mittags und nachmittags und abends bei Sonnenuntergang.« Sie kannte ihren Karl May.
    »Allah inschallah.« Florian kannte ihn ebenfalls.
    Das Innere des etwas hochtrabend als Hospital bezeichneten Gebäudes bestand aus drei Räumen. Der eine diente als Ordinationszimmer, war aber gleichzeitig Krankenhausapotheke, Kaffeeküche und Abstellkammer, die beiden anderen schienen Krankenzimmer zu sein. In jedem standen vier Feldbetten, offenbar schon lange nicht benutzt, denn auf den weißen Laken zeichneten sich die vielen schwarzen Pünktchen besonders gut ab. Ob sie lebten oder nur Hinterlassenschaft der unzähligen Fliegen waren, wollte Tinchen gar nicht erst wissen, sie fand es nur bemerkenswert, daß sich die Bevölkerung von Kilifi offenbar bester Gesundheit erfreute. Nicht ein Patient war zu sehen.
    Der Arzt erwartete sie schon. Es war ein Inder, dessen Englischkenntnisse ähnlich umfassend waren wie Tinchens, und so wurde Moses als Dolmetscher geholt. Nur kannte der sich in medizinischen Fachausdrücken nicht so richtig aus, denn was er schließlich übersetzte, klang ungefähr so: »Bein ab!« Julia schrie auf, Tinchen stieß den

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