Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)
Julia mit einem »Nicht doch, das tut weh!« quittierte, und meinte resignierend: »Ich bin zwar Internist, aber so viel weiß ich: Ohne Röntgenaufnahme ist da nichts zu machen.«
»Wieso nicht?«
»Es kann ein Bänderriß sein, dann darfst du auf keinen Fall auftreten und solltest möglichst schnell in Gips. Operation wäre besser, nur weiß ich nicht, wie das Krankenhaus in Mombasa personell besetzt ist. Wahrscheinlich müßtest du nach Nairobi gebracht werden. Es kann sich aber auch nur um eine Verstauchung handeln, dann würde ein elastischer Verband genügen, und du könntest das Bein zunehmend belasten. Es hilft nichts, du mußt zum Röntgen.« Und als er Julias entgeistertes Gesicht sah, fügte er hinzu: »Nun rechne nicht gleich mit dem Schlimmsten, vielleicht hast du ja noch Glück gehabt. Ich werde mich mal erkundigen, wohin wir dich bringen können.«
Kaum war er weg, kam Florian. Hinter sich her zog er die Kiste. »Der ist zwar Seelenklempner, aber ein bißchen Ahnung von Medizin wird er wohl noch haben. Reiche Leute konsultieren immer mehrere Ärzte. Bei uns zahlt’s diesmal die Auslandsversicherung.«
Leider kam Herr Dr. Schneider zu dem gleichen Resultat wie sein geschätzter Kollege von der Inneren; ohne Röntgenaufnahme keine genaue Diagnose.
»Ich möchte bloß wissen, wie die Ärzte vor hundert Jahren klargekommen sind«, knurrte Florian, »damals mußten sie wohl noch was können, heute gucken sie sich bloß Bildchen an.«
»Damals liefen aber auch viel mehr Krüppel herum«, gab sein Sohn zu bedenken.
»Habt ihr nicht mal ’n anderes Thema drauf?«
»Doch.« Florian setzte sich zu Julia auf die Liege. »Ich würde gern erfahren, was da draußen eigentlich passiert ist.«
»Anfangs gar nichts«, begann Tobias, »bis plötzlich der Motor aussetzte. Das war kurz vor dem Riff. Joe hat noch versucht durchzusteuern, aber das hat er nicht mehr geschafft, die Strömung hat uns seitlich weggetrieben, immer feste in Richtung Klippen. Da ist mir zum erstenmal mulmig geworden«, gab er zu. Als Nicodemus die Klappe vom Motorblock geöffnet hatte, war ihm ein Schwall Wasser, vermischt mit Öl, entgegengeschwappt. Irgendwo da unten mußte ein Leck sein. Joe war getaucht, hatte aber nichts finden können; er hatte nur festgestellt, daß der Anker auf dem schon felsigen Untergrund nicht hielt, und sich die Preßluftflaschen reichen lassen, um sie an den Anker zu binden. Das hatte jedoch nichts genützt, das Boot trieb immer weiter zur Steilküste hin. Langsam fing es auch an vollzulaufen. Die Pumpe war ebenfalls ausgefallen, aber: »Die beste Lenzpumpe ist ein ängstlicher Nichtschwimmer mit einem Eimer in der Hand«, sagte Tobias lachend. »Das war ja unser Problem! Zacharias hat heute seinen freien Tag, da hat Joe den anderen Schwarzen mitgenommen, der macht sonst nur Hilfsarbeiten. Schwimmen kann er auch nicht. Sonst wären wir einfach über Bord gesprungen, als die Lage kritisch wurde, aber bis zum seichten Ufer war es mindestens ein halber Kilometer, so weit hätten wir den Jungen nie mitziehen können.« Nicht mal einen Funkspruch hatte Joe absetzen können, weil das Funkgerät in die Ölbrühe gerutscht und unbrauchbar geworden war. Zum Glück war der Hochseefischer vorbeigekommen, nur zu helfen vermochte er nicht, da die Dhau inzwischen auf den Klippen festsaß und das Boot nicht heranfahren konnte, ohne selbst auf Grund zu laufen. »Aber wenigstens ist es mit Volldampf losgeprescht, um Hilfe zu holen.«
»Die kam dann aber auch in letzter Minute«, fuhr Julia fort. »Wir hatten schon den Mast gekappt, weil wir versuchen wollten, uns von der Steilwand abzustoßen. Ob das hingehauen hätte, weiß der Geier, glücklicherweise brauchten wir es nicht auszuprobieren. Mensch, war ich froh, als das Motorboot auftauchte. Mit dem Schlauchboot haben sie uns den Strick gebracht, und dann haben sie uns gemeinsam da weggezogen. In meinem ganzen Leben habe ich nicht so viel Angst gehabt«, schloß sie aufatmend.
»Eins verstehe ich nicht«, sagte Florian nachdenklich, »eine Dhau ist doch als Segelschiff konzipiert. Seid ihr denn nicht auf die Idee gekommen, das Segel zu setzen?«
»Wollten wir ja, aber irgendein Idiot hatte das Ruder aus dem Kahn genommen. Versuch du mal zu segeln, ohne steuern zu können.«
Da Florian von der christlichen Seefahrt keine Ahnung hatte und nicht mal ein simples Ruderboot bewegen konnte, ohne sich damit permanent im Kreis zu drehen, forschte er nicht weiter nach. »Wenn
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