Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)
hausgemachten Hörnchen befanden sich noch im Backofen, die Zuleitungskabel von den Toastern hielt der Oberkellner unter Verschluß, der war aber noch gar nicht erschienen, und so kaute Tinchen lustlos auf einer leicht gewellten Weißbrotscheibe herum, garniert mit frischer Ananas. Die Marmelade kannte sie schon, es war seit fünf Tagen dieselbe. »Wenn man bedenkt, was in einer Stunde alles auf dem Büfett stehen wird, dann frage ich mich wirklich, weshalb die Angeltour so früh beginnt. Mit leerem Magen stundenlang auf dem Kahn herumzuschaukeln ist bestimmt nicht das Wahre.«
»Sei doch froh, Mamm, dann ist wenigstens nichts da, womit du die Fische füttern kannst.«
Eine berechtigte Feststellung, die allerdings insofern nicht zutraf, als Tinchen bereits die mit einem langen lateinischen Namen behaftete, von Tobias jedoch kurz als »Anti-Kotz-Pille« bezeichnete Tablette geschluckt hatte. Die gab es an der Rezeption und war im Fahrpreis inbegriffen. Angeblich war sie speziell für sensible Landratten konzipiert, deren Mägen gegen allzu heftigen Wellengang rebellierten. Da es sich um ein deutsches Erzeugnis handelte, war Tinchen beruhigt. Die Nordsee war ganz bestimmt stürmischer als dieser spiegelglatte Indische Ozean.
Sie wollten gerade aufstehen, als Karsten hereinstürmte. »Kommt der denn auch mit?« wunderte sich Florian.
»Diese Frage erübrigt sich wohl, oder würdest du mit weißen Leinenhosen und einem Armani-Hemd angeln gehen?« fragte Tinchen. »Der hat bestimmt was Besseres vor.«
»Morgen zusammen. Ist Elaine noch nicht da? Sie hat vorhin gesagt, es dauere keine Minute.«
»Da hat sie ja auch recht. Aber wer, bitte schön, ist Elaine?« In Gedanken ging Tinchen schnell alle weiblichen Personen durch, die Karsten einer etwas intensiveren Beziehung für würdig befinden würde, fand aber keine, die Elaine heißen könnte.
»Ihr nennt sie ja immer Mama Caroline, dabei ist sie überhaupt kein mütterlicher Typ.«
»Das beweist ihre Tochter zur Genüge. Und mit dieser Dame ziehst du jetzt rum? Seit wann denn? Du machst dich ja zum Gespött des ganzen Hotels!«
»Was kümmert’s eine deutsche Eiche, wenn sich eine Wildsau daran scheuert«, erwiderte Karsten lachend. »Ihr müßt doch zugeben, daß Elaine ausgesprochen attraktiv ist.«
»Je steiler der Zahn, desto flacher das Hirn.« Tobias griff nach seiner Sporttasche und setzte sich in Marsch. Dann drehte er sich noch einmal um. »Und denk dran: Was man tut, muß man gründlich tun, selbst eine Dummheit. Stammt leider nicht von mir, ist von Balzac. Aber der war ja auch nicht so ganz ohne.«
»Halt deine vorlaute Klappe, du Grünspecht, sonst petze ich!«
Während sie die ungleichmäßig in den Fels geschlagenen Stufen zum Anlegesteg hinunterstolperten, versuchte sich Tinchen in Diplomatie. »Was hat denn Karsten eben gemeint?«
»Keine Ahnung, es gibt nichts zum Petzen. Und überhaupt bin ich erwachsen.«
»So? Den Eindruck machst du aber gar nicht.«
Vorsichtshalber legte Tobias einen kurzen Zwischenspurt ein. In der Nähe seines Vaters fühlte er sich vor einer Inquisition sicherer. »Ich weiß doch auch nicht, weshalb ich soviel Erfolg bei den Hühnern habe. Die rennen mir einfach hinterher.«
»Weil du nichts im Kopf hast. Da kommt wenigstens keine in Versuchung, sich mit dir unterhalten zu wollen.«
»Paps, du bist unfair. Ich will mich doch bloß ein bißchen amüsieren und kein wissenschaftliches Kolloquium abhalten. Wer nur weise ist, führt ein trauriges Leben.« Und nach einer kurzen Pause: »Was meinst du, soll ich mich weiter an Gleichaltrige halten oder lieber mal an eine flotte Ältere mit ein bißchen Erfahrung?«
Überrascht blieb Florian stehen. »Junge, Junge, du fragst auf eine Art um Rat, daß man das Gefühl hat, du brauchst ihn gar nicht mehr. Wen hattest du denn im Auge?«
»Vergiß es«, sagte Tobias abwinkend, »war ja bloß Spaß.« Davon war Florian zwar nicht überzeugt und Tinchen noch viel weniger, aber eine weitere Diskussion war nicht mehr möglich. Sie hatten den Bootssteg erreicht und wurden vom Skipper begrüßt. Er hieß Piet, war Mitte Dreißig, trug eine blonde Mähne mit dazu passendem Vollbart und sprach nur Englisch und Suaheli. Seine Eltern stammten aus Holland und lebten auch jetzt noch dort, aber weshalb er in Kenia geboren und hier offenbar auch aufgewachsen war, hatte Tinchen nicht verstanden. Es hatte irgend etwas mit Politik zu tun, nur reichten ihre Englischkenntnisse für eine
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