Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)
einkalkulieren, weil gelegentlich der Kühler kocht oder der sowieso schon geflickte Keilriemen ein weiteres Mal gerissen ist. Hakuna matata!
»Wir nehmen den Hühnerbus!« hatte Karsten entschieden. »Damit macht die Fahrt viel mehr Spaß.«
Obwohl Frau Antonie diese Bezeichnung für einen regulären Omnibus etwas merkwürdig fand, erhob sie keinen Einspruch. Sie wollte endlich etwas erleben! Wie hatten die Damen von der Gymnastikgruppe sie beneidet um diese Reise und bereits bei Frau Direktor Möllemann ein privates Treffen vereinbart; da war am meisten Platz, denn Frau Pabst würde nach ihrer Rückkehr sicher viel zu erzählen haben. Nur hätte die Frau Pabst im Augenblick gar nicht gewußt, was sie hätte erzählen können. Höchstens ein bißchen Hotelklatsch, und der wäre ihrem Ruf nicht zuträglich gewesen, galt sie doch als gebildete und kulturell aufgeschlossene Frau. Also mußte sie unbedingt nach Mombasa und dort das Fort Jesus besichtigen, im 16. Jahrhundert von den Portugiesen erbaut, außerdem mindestens eine fremde Kirche, am besten die Mandhry-Moschee, die war genauso alt, und dann natürlich die berühmten Elfenbeinzähne, die als eine Art Triumphbogen in der Moi-Avenue stehen. Vielleicht könnte man auch noch den Dhau-Hafen besuchen, der im Reiseführer als besonders sehenswert angepriesen wurde, obwohl Frau Antonie für Häfen nicht viel übrig hatte. Schiffe sind schließlich Schiffe, und in Hamburg hatte sie genügend davon gesehen. Zur Teezeit würde man sich natürlich im Castle einfinden, jenem Hotel aus der Kolonialzeit, das nur Europäern vorbehalten gewesen war, jetzt bedauerlicherweise jedem zugänglich ist. Nein, eine Rassistin war Frau Antonie ganz und gar nicht, sie lehnte die Apartheidspolitik in Südafrika rigoros ab, doch hätte sie nichts dagegen gehabt, wenn so ein kleines Refugium geblieben wäre, in dem man »unter sich« war. Wie eben seinerzeit das Castle-Hotel mit der großen überdachten Terrasse, auf der man seinen Eistee trinken und das bunte Treiben auf der Straße verfolgen konnte, unbehelligt von Bettlern, die dieses harmlose Vergnügen heutzutage doch erheblich beeinträchtigen.
Eigentlich hatte Karsten gar nicht mehr mitfahren wollen. Einmal Mombasa pro Urlaub sei genug, hatte er gesagt, die Sehenswürdigkeiten kenne er inzwischen und fände sie gar nicht mehr so sehenswert, und wenn er nicht wüßte, daß er als ortskundiger Führer gebraucht würde, hätte er etwas Besseres vor als durch »dieses Dreckloch« zu stiefeln.
»Ich dachte, für Verliebte ist die Welt überall himmelblau?« Ganz harmlos hatte Tinchen getan, obwohl sie längst gemerkt hatte, daß ihr Bruder Mama Caroline eiskalt abfahren ließ, sobald sie nur in seine Nähe kam.
»Verliebt sind Teenies. Ich war bloß dämlich.«
»Stimmt«, hatte Tinchen gesagt, »aber seit wann stört dich das?«
Eine passende Antwort hatte Karsten hinuntergeschluckt. An den verpatzten Ausflug mit Mama Caroline wollte er nicht mehr erinnert werden, und vor allem wollte er nicht, daß Tinchen Fragen stellte. Dann hätte er nämlich zugeben müssen, daß sie recht gehabt hatte. Leider. Denn nach seiner Ansicht gab es bei Meinungsverschiedenheiten immer nur zwei Alternativen: seine und die falsche. Und diesmal war die falsche die richtige gewesen.
Zuerst hatte Elaine einen Friseur aufgesucht, was beinahe drei Stunden gedauert hatte. Danach hatte sie einen Drink benötigt, aus dem vier geworden waren. Beim Juwelier, in dessen Schaufenster die entzückende Tigeraugenkette lag, hatten sie zum Glück vor verschlossener Tür gestanden, doch die Mittagspause hatte Elaine an den Aperitif erinnert, den sie immer vor dem Essen einzunehmen pflegte, woraufhin Karsten sie im Castle abgesetzt und versprochen hatte, sie gegen drei Uhr wieder abzuholen. Er hatte die Nase gründlich voll gehabt und kaum noch Geld, denn seine Begleiterin hatte doch tatsächlich ihr Portemonnaie im Hotel vergessen. Zur verabredeten Zeit war weder etwas von Elaine zu sehen gewesen, noch hatte sie eine Nachricht hinterlassen. Eine geschlagene Stunde lang hatte er dort herumgesessen, war dreimal von demselben Bettler angehauen worden, bis er endlich die Geduld verloren und den nächsten Bus Richtung Malindi genommen hatte. Mama Caroline hatte er erst abends wiedergesehen, als sie in Begleitung zweier Franzosen ihren Lieblingsplatz an der Bar eingenommen und ihm beiläufig mitgeteilt hatte, daß sie lieber Auto als Hühnerbus fahre, weshalb sie die
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