Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)
Loch vor der Terrasse noch mal die Beine brechen! Aus dem Fenster drang auch kein Lichtschein, also saß der liebende Ehemann noch immer bei seinem Sunrise-drink. Nur war die Sonne schon lange untergegangen. Die Tür hätte er wenigstens abschließen können! Nicht mal richtig zugeklinkt hatte er sie!
Im Zimmer herrschte Saunatemperatur. Natürlich, die Klimaanlage lief ja nicht. Dabei hatte sie ihm extra gesagt, er solle sie anmachen – vor zwei Stunden war das gewesen, Zeit genug, den Raum abzukühlen. Tagsüber verzichteten sie darauf, sie hielten sich ja doch nie im Bungalow auf, Strom ist kostbar, man sollte ihn nicht unnötig verschwenden – doch diese Backofenhitze jetzt war unerträglich. Tinchen tastete nach dem Lichtschalter und drückte ihn herunter. Nichts. Sie versuchte es ein zweites und ein drittes Mal, dann mußte sie einsehen, daß der elektrische Suchtrupp noch immer nicht fündig geworden war. Na, großartig!
Schritt für Schritt tastete sie sich durch das Zimmer zum Nachttisch. Da mußte irgendwo ein Feuerzeug sein. Erst nachdem sie alle Bücher heruntergefegt hatte, fiel es scheppernd auf den Boden. »Mist, elender!« Vorsichtig bewegte sie sich rückwärts zur Tür. Wo war überhaupt die Taschenlampe? Tinchen fühlte den Schreibtisch ab. Taschentücher, Briefmarken, etwas Längliches, im Moment nicht zu identifizieren, dann etwas Stachliges … ach ja, der Ableger vom Kaktus, sie wollte ihn zu Hause im Blumentopf großziehen, ein Stück Strippe – nein, das war der Riemen vom Fotoapparat … Als Kinder hatten sie so etwas bei Geburtstagsfeiern gespielt, Gegenstände raten hieß es, man hatte ein Tuch über die Augen bekommen, und dann kriegte man einen mit nassem Sand gefüllten Waschlappen in die Hand gedrückt oder einen klebrigen Fliegenfänger. Damals war das ja ganz lustig gewesen, die Nagelschere im Handballen dagegen fand sie gar nicht mehr lustig. Da, der Aschenbecher. Soweit sie sich erinnern konnte, hatte eine Schachtel Streichhölzer danebengelegen. Sie war auch noch da. Und es waren sogar welche drin. »Es werde Licht!« Nach dem fünften und letzten Hölzchen sah sie ein, daß Bibelsprüche auch nicht immer stimmen, aber der liebe Gott war damals entschieden im Vorteil gewesen: Er hatte die Sonne gehabt und keine feuchtgewordenen Zündhölzer.
»Tine, bist du das?«
»Nein, Tina Turner!«
Die Badezimmertür ging auf, und dann wurde es auch endlich hell. Im Rahmen erschien Florian, eingehüllt in seinen weißen Bademantel, ein Handtuch über den nassen Haaren, in der Hand eine Kerze.
Tinchen prustete los. »Du siehst aus wie die personifizierte Darmol-Reklame!« Schnell stellte er die Kerze ab, betrachtete aber zweifelnd den heruntergebrannten Stummel. »Wenn du dich beeilst, kannst du noch bei Licht duschen.« Aus seinem Schrankfach zog er ein Polohemd hervor. »Ist das blau oder grün?«
»Lila«, sagte Tinchen.
»Dann paßt es wohl nicht zu der braunen Hose?«
»Wenn du die auf dem Bett meinst, nein. Das ist nämlich die blaue.« Sie streifte ihren Badeanzug ab. »Das Licht brauche ich jetzt, sonst schmiere ich mir am Ende noch Zahnpasta in die Haare.« Sie verschwand im Bad.
»Ich muß mich aber noch rasieren!«
»Dein Kinn findest du auch im Dunkeln.«
Es klopfte, und dann flog auch schon die Tür auf. »Vati, bist du hier drin? Hast du zufällig einen Naßrasierer dabei?«
»So was besitze ich nicht mehr, seitdem mir deine Mutter zum ersten Hochzeitstag einen elektrischen geschenkt hat.«
»Dann solltest du dir wirklich mal einen neuen kaufen«, empfahl sein Sohn. »Ich wollte mir ja schon diesen Minischrubber leihen, mit dem Julia immer ihre Beine schabt, aber die rückt ihn nicht raus. Sie hat nur noch eine Klinge mit, sagt sie.«
»Du kannst gleich meinen haben«, gestattete Florian großzügig.
Tobias jaulte auf. »O heiliger Senilissimus, bei dir hilft nicht mal mehr Calgon zum Frühstück!« Krachend fiel die Tür ins Schloß. Was er mit dieser despektierlichen Feststellung gemeint hatte, wußte Florian erst, als er den Stecker in die Buchse schieben wollte. »Tinchen, du mußt heute mit einem Stachelschwein speisen.«
»Solange es nicht auf meinem Teller liegt, ist mir das egal«, kam es zurück.
Sogar Frau Antonie entschuldigte notgedrungen die Stoppelbärte ihrer Männer und die luftgetrocknete Frisur ihrer Tochter. Sie selbst hatte auf das Haarewaschen verzichtet und statt dessen Trockenshampoo benutzt, was Tobias zu der Bemerkung
Weitere Kostenlose Bücher