Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)
eben sehr schnell, dafür jedoch gründlich. Bereits am Spätnachmittag hatte er die Möglichkeit in Betracht gezogen, daß die Stromversorgung bis zum Abend doch noch nicht gesichert sein könnte und er sich zur Belustigung seiner Gäste etwas einfallen lassen müßte. Für Notfälle lagen ja immer ein paar Videofilme bereit, nur benötigte man auch dazu Strom. Bingo ging ebenfalls nicht, das hatte er schon mal bei einem früheren Stromausfall durchgezogen und ständig falsch markierte Karten bekommen, weil niemand die Zahlen richtig erkennen konnte. Also hängte er sich ans Telefon. Die Snake-Show war bereits anderweitig engagiert genau wie die Akrobatentruppe und der Karate-Club. Außerdem hatten die alle in den vergangenen zwei Wochen schon ein Gastspiel im »Coconutpalmtrees« gegeben. Blieben also nur noch die Massaitänzer, leider durch einen Armbruch sowie ein Begräbnis innerhalb des Stammes um zwei Mitglieder reduziert. Besser vier Massai als überhaupt keine, dachte sich Herr Brunsli, ließ sie holen und mußte zu seinem Entsetzen feststellen, daß der gebrochene Arm ausgerechnet dem einzigen weiblichen Mitglied der Truppe gehörte. Wie sollten die Jungs jetzt ihre Brautwerbung und den Hochzeitsreigen tanzen, wenn gar keine Braut da war? Herr Brunsli sann auf Abhilfe, und dann war ihm doch tatsächlich etwas eingefallen.
Das Spektakel begann. Eingeleitet wurde es mit dumpfen Trommelschlägen, verursacht durch Kellner Charles. Der war eingesprungen, weil der sonst für die musikalische Untermalung zuständige Massai heute mittanzen mußte, und Charles konnte trommeln, das bewies er jeden Mittag um halb eins.
Plötzlich sprangen drei martialisch aussehende Gestalten auf die Tanzfläche, nur mit einem Lendenschurz bekleidet, an den Knöcheln Lederriemen mit Glöckchen dran, um den Hals Ketten geschlungen, an denen von Raubtierzähnen bis zu winzigen Knöchelchen eine bunte Mischung von dem hing, was man von Tierskeletten als brauchbar zusammengesammelt hatte. Die Gesichter waren mit weißen Farbstrichen bemalt und sahen ziemlich grauslich aus. In den Händen hielten die Tänzer Schilde und Speere, den Zuschauern hinlänglich bekannt, weil an jeder Andenkenbude zu kaufen. Am auffallendsten war der Kopfschmuck: geflochtene Stirnbänder, in denen verschiedenfarbige, sehr lange Federn steckten.
»Jetzt weiß ich auch, weshalb der Pfau hinten auf unserer Wiese so räudig aussieht«, flüsterte Tobias seiner Schwester ins Ohr, »und ich hatte schon Oma in Verdacht.«
Der Obermassai nahm dankend den Begrüßungsapplaus entgegen, danach erläuterte er die nun folgenden Darbietungen. Ein Löwe sei gesichtet worden, die Männer des Dorfes würden sich zum Kampfe sammeln. Sie sammelten sich alle in der Mitte – der vierte war inzwischen auch gekommen – und begannen mit den Füßen zu stampfen und Hu! Hu! Hu! … zu schreien. Das taten sie einige Minuten lang, dann keuchte der Anführer: »Jetzt zu Löwe gehen.« Sie rannten bis zum Rand der Tanzfläche, rannten zurück, rannten wieder nach vorn, rannten zurück und schrien Hu! Hu! Hu! … Charles trommelte wie ein Besessener.
»Nun mit tote Löwe zurück ins Dorf.« Es kehrten aber nur zwei Krieger zurück, weil die anderen das Empfangskomitee mimen mußten.
Ein Unterschied war nicht zu erkennen, denn sie rissen alle vier die Arme hoch, stampften mit den Füßen und schrien Hu! Hu! Hu! …
»Und jetzt große Fest für tote Löwe!« Diesmal stampften sie im Kreis herum, schwangen die Arme und schrien Hu! Hu! Hu! …
Pause. Charles wischte sich die Schweißtropfen von der Stirn, die Tänzer verschwanden hinter einem Gebüsch. Kostümwechsel.
Der zweite Teil begann mit einem anerkennenden »Aaahhhh« seitens des Publikums. Eine schwarze Schöne hatte die Bühne betreten. Bei näherem Hinsehen mußten die meisten jedoch zugeben, daß die mehr als schummrige Beleuchtung der Tänzerin ungemein schmeichelte, denn schön war sie überhaupt nicht. Sie hatte ein grobes Gesicht mit extrem wulstigen Lippen, und ihre Figur hätte nicht mal den Ansprüchen der Laientanzgruppe eines dörflichen Karnevalsvereins genügt. In Bayern würde man sagen: »Das Madl hat vui Holz vor der Hütt’n«, in Kenia drückt man es realitätsbezogener aus: »Sie wird viele Babys nähren können.«
Dieser bewußte Körperteil war in ein gelbes Leibchen gezwängt worden, das dazugehörige Baströckchen saß ebenfalls reichlich eng, und nicht nur Florian wartete auf den Moment, da die
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