Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)
Nähte platzen würden. Auf dem Kopf trug das Mädchen einen Tonkrug. Mehrmals umrundete es die Tanzfläche, immer wieder in das Gebüsch schielend, aus dem nun endlich jemand kommen sollte. Der Obermassai kam denn auch. Schild und Speer hatte er abgelegt, statt dessen trug er überall Federbüschel, und ein paar Striche aus dem Gesicht hatte er ebenfalls entfernt. Nun sah er nicht mehr ganz so schrecklich aus.
»Massai wollen Mädchen zur Frau«, sagte er.
»Brautwerbung«, erklärte Herr Brunsli.
Die Braut setzte sich auf den Boden, neben sich den Topf, und tat verschüchtert. Der angehende Bräutigam stampfte im Kreis um sie herum und schrie Hu! Hu! Hu! … Nachdem er das lange genug getan hatte, kamen die drei Dorfbewohner, umhüpften Braut und Bräutigam und schrien Hu! Hu! Hu! … Dann endlich stand auch die Braut auf, stampfte mit den Füßen und wackelte mit dem Körperteil, mit dem die Männer nicht wackeln konnten. Das Publikum applaudierte stürmisch, immer in der Hoffnung, die Tänzerin zu noch heftigeren Bewegungen anstacheln zu können, um endlich den ersehnten Striptease zu erleben. Sie warteten vergebens. Nach einem großartigen Finale, bei dem alle fünf kreuz und quer über die Bühne trampelten und Hu! Hu! Hu! … schrien, bis die Braut über den Topf stolperte und hinfiel, war die Vorstellung beendet. Auf den Höhepunkt habe man leider verzichten müssen, bedauerte Herr Brunsli, denn es sei unverheirateten Frauen nicht erlaubt, am Hochzeitstanz teilzunehmen, und das junge Massaimädchen, liebenswürdigerweise für die erkrankte Kollegin eingesprungen, sei noch ledig.
»So ’n Quatsch«, sagte Kasulke bei der späteren Manöverkritik an der Bar, »die Kleene kenn ick nämlich, die is hier in det Hotel anjestellt und schrubbt immer die Klos. Von wejen Massai! Die hat der Brunsli von ihr’n Scheuerlappen wegjeholt und als Ersatz für det kranke Massaimeechen uff die Bühne jestellt. Die hatte doch von Tuten und Blasen keene Ahnung, und mit den Hochzeitstanz wär se schon jar nich klarjekommen. – George, noch ’n Halleluja-Bier!«
»Man merkt, daß Sie hier beinahe schon Heimatrecht genießen«, sagte Florian lachend, »kennen Sie eigentlich jeden Angestellten mit Namen?«
»I bewahre. Den hier kenne ick ooch nich, muß neu sein, aber nach meine Erfahrung heißen hier unten alle Barkeeper George.«
Nun wollte es Florian genau wissen. Als ihm sein Gin Tonic serviert wurde, fragte er höflich nach dem Namen.
»My name is George«, sagte George und verstand nicht, weshalb er nur brüllendes Gelächter erntete.
Es wurde doch noch ein sehr netter Abend, auch wenn gegen elf Uhr auf einen Schlag sämtliche Wandlampen erloschen und wenig später auch die Bungalows im Dunkeln lagen, die bis dahin noch erleuchtet gewesen waren. Am meisten jedoch hatte Tinchen gefallen, daß sich das Taucherteil aus Uelzen nicht hatte blicken lassen und Julia trotzdem nicht in Weltschmerz versunken war. Sie hatte im Gegenteil recht munter mit Joe geflirtet. Natürlich war der auch viel zu alt für sie, aber wenigstens nicht verheiratet.
Kapitel 12
N ach der nicht gerade überzeugenden folkloristischen Darbietung der Massaitänzer sagte Tinchen die geplante Dhaufahrt ab. Sie sollte irgendwo hinten im Creek enden, wo man den Teilnehmern ein Picknick unter dem drittältesten Affenbrotbaum Kenias zugesichert hatte, garniert mit Stammestänzen der Giriama. Allenfalls der Baobab hätte sie gereizt, doch von diesen Bäumen hatte sie schon genug gesehen. Sie waren alle riesig, ließen sich nicht mal in Hochformat komplett auf ein Foto bannen, es war also nicht nötig, einen noch größeren Baum zu bestaunen. Außerdem, wer weiß, was da alles in den Zweigen saß. Manchmal hausten ganze Affenherden darin.
Auch Frau Antonie nahm Abstand von dieser Vergnügungsfahrt, nachdem ihr Frau Pahlke freudig erregt mitgeteilt hatte, daß sie noch den letzten Platz auf dem Schiff habe ergattern können. »Ich glaub’s nicht, aber es hat geklappt.«
»Dann wünsche ich Ihnen viel Vergnügen«, sagte Frau Antonie, marschierte schnurstracks zur Rezeption und machte ihre Anmeldung rückgängig. Diese Frau wurde sie einfach nicht mehr los. Wie eine Klette hing sie an ihr, hatte sie bereits mit Strickmustern und Kochrezepten versorgt, schleppte Illustrierte mit hochinteressanten Artikeln an – »Hier, das müssen Sie unbedingt einmal lesen: Ich war eine Leihmutter! Die wahre Geschichte einer unglücklichen Frau« –, und sie war
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