Huehnerhoelle
vor allem nach der Arbeit. Ist ganz gut für die Beine, wissen Sie.« Sie lachte verhalten und etwas gequält.
»Komisch«, sagte Kevin Kuczmanik, »wenn ich den ganzen Tag auf den Beinen bin, will ich abends keinen Schritt mehr tun.«
Dafür erntete er nun Hanne Spiekers ironischen Blick, den sie über seine kleine runde Gestalt gleiten lieÃ, und den süffisanten Kommentar: »Kann ich mir gut bei Ihnen vorstellen.«
Kevin wurde rot, und Hufeland klinkte sich wieder ein: »Sie haben Bruno Kock am Sonntag nach Feierabend also nicht mehr gesehen. Können Sie uns aber sagen, wie er unterwegs war? Mit dem Fahrrad, mit dem Auto, zu Fu�«
Sie sah ihn erstaunt an. »Woher soll ich das wissen? Ich arbeite drinnen, nicht drauÃen.«
»Hanne! Noch eins!«, grunzte auf einmal eine der beiden Trauergestalten von der Theke herüber.
»Sofort, Hermann!«, beschied sie ihn genervt. »Dauert nicht mehr lang hier! â Oder?«, schaute sie Hufeland fragend an, der nur angedeutet mit dem Kopf schüttelte.
»Wie verstanden sie sich denn so, der alte und der junge Kock?«, wollte Kevin nun wissen. »Ich meine, speziell an dem Abend, als Wilhelm Kock ermordet wurde?«
»Dazu kann ich Ihnen nichts sagen«, schüttelte sie energisch den Kopf. »Ich habe die beiden nur mal zusammen reden sehen, drüben im Flur.« Sie drehte ihren Kopf leicht in die Richtung. »Aber worumâs dabei ging? Keine Ahnung.«
»Warum kam Wilhelm Kock in letzter Zeit wieder öfter hierher, in die Kneipe seines Bruders?«, hakte Hufeland ein. »Was denken Sie?«
Sie zuckte die Achseln. »Da fragen Sie am besten den Werner selbst.«
»Hanne! Noch ein Bier!«, dröhnte es ein zweites Mal von der Theke her.
»Bin gleich da!«, versprach sie, und Hufeland sah, wie sich hektischrote Flecken an ihrem Hals und in ihrem Ausschnitt bildeten.
»Es gab Streit an dem Abend«, machte er weiter. »Zwischen Kock senior und einigen Herren, die Skat spielten.«
»Sie meinen den Stammtisch, ja? Stimmt, der Kock hat die Leute hier am Tisch ganz schön genervt. Er schlich dauernd um sie herum, kommentierte alles und so. Das habe ich nebenbei auch bemerkt.«
Kevin richtete sich jetzt auf und wischte mit der Hand über die dunkel gebeizte Tischfläche, als wolle er sie von Staub befreien. »Die Herren haben also gerade hier an diesem Tisch gesessen, ja?«
»Wie immer. Stammtisch eben«, gab Hanne Spieker zurück und wandte sich an Hufeland. »Warâs das?«, fragte sie und schenkte ihm wieder einen dieser langen, direkten Blicke. Die ihm jedoch alles andere als blauäugig erschienen.
Er dankte ihr, und sie stand hastig auf, um die beiden Gäste an der Theke zu versorgen.
Hufeland sah ihren äuÃerst beweglichen Hüften hinterher.
Und wurde das diffuse Gefühl nicht los, dass sie ihnen irgendetwas verschwieg.
Keine zwei Sekunden später brach der Sturm über sie herein!
43
Von zwei Seiten fielen die Massen in den Brooker Hof ein, vom Vorder- und vom Hintereingang der Kneipe. Die Eingangstür platzte geradezu auf, die Verbindungstür zum Flur wurde beinahe aus den Angeln gehoben, und aufgebrachte Männer in dunklen Mänteln, Gesichter, die Hufeland zum groÃen Teil vorhin noch auf dem Friedhof gesehen hatte, bevölkerten in kürzester Zeit den Schankraum und alle Plätze, auch die an ihrem Tisch. Alles redete laut durcheinander, der Lärm war unerträglich.
Hufeland sprang auf und winkte Kevin, ihm zu folgen. Sie quetschten sich durch die dicht an dicht stehenden Männergruppen, vorbei an der Theke, wo Hanne Spieker verzweifelt versuchte, der Getränkewünsche Herr zu werden, und gelangten unter schwerstem Körpereinsatz in den Flur, der weniger besiedelt war, auch wenn immer noch Leute von drauÃen nachströmten.
Als sie den Tanz-, jetzt Trauersaal betraten, hatte sich zu ihrer Ãberraschung im Vergleich zu vorher kaum etwas getan. Der Saal war bestens gerüstet für den Leichenschmaus. Doch wo blieben die schmausenden Trauergäste? Die drei blonden Grazien vom Buffet falteten verlegen und verlassen die Hände vor den Bäuchen, als wäre die Messe für den Verstorbenen noch immer nicht gelesen. Aber zu bedienen gab es nichts.
»Keiner da!«, stellte Kevin staunend fest.
»Kommt auch keiner mehr«, vernahmen sie plötzlich eine männliche
Weitere Kostenlose Bücher