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Huete dich vor deinem Naechsten

Titel: Huete dich vor deinem Naechsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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den Konten plus der Inhalt meines Portemonnaies. Mir war klar, dass ich damit nicht weit kommen würde. Ich hatte immer noch meine Kreditkarten, aber die könnte ich nicht benutzen, ohne eine Spur zu hinterlassen - falls sie noch nicht gesperrt waren.
    Ich duschte in Lindas Badezimmer, dem einzigen aufgeräumten Raum des Lofts. Mit den Steinkacheln und der Dampfdusche war es Lindas Heiligtum. Die Kinder durften es nicht einmal betreten. Vermutlich hätte sie Erik am liebsten gezwungen, das Badezimmer der Kinder zu benutzen. Ich versuchte, meinen Kopfverband trocken zu halten, was misslang. Am Ende musste ich ihn unter Schmerzen entfernen.
    Nach der Dusche betrachtete ich mich in der breiten Spiegelfläche über dem Marmorwaschtisch. Ich erschrak über die tiefe Platzwunde, die sich wie von der Stirnmitte bis zur Schläfe zog. Den Haaransatz hatte man mir rasiert, was allein schon fürchterlich ausgesehen hätte. Die Wunde selbst war dunkelrot, und zwischen den Nähten sickerte eine dunkelgelbe Flüssigkeit heraus. Ich fand das ziemlich beunruhigend, hatte aber keine Zeit, mir weiter Gedanken darüber zu machen. Im Verbandskasten unter dem Waschbecken fand ich Mullbinden und Pflaster. Die Berührungen schmerzten so sehr, dass mir übel wurde. Da fiel mir ein, dass ich Antibiotika einnehmen sollte. Waren die Tabletten in meiner Tasche? Ich konnte mich an nichts erinnern. Brown hatte den Kopf auf die Pfoten gelegt und beobachtete mich bekümmert. Er lag winselnd auf der Schwelle, so als machte er sich Sorgen um mich.
    »Ist schon gut, Brown«, sagte ich. »Keine Angst.«
    Ich schlurfte in die Küche, den Hund immer dicht auf den Fersen, füllte seinen Futternapf, stellte ihm frisches Wasser hin und gab ihm einen Hundekuchen. Danach schien es ihm besser zu gehen.
    Ich holte eine Jeans, einen schwarzen Wollpullover, einen pinkfarbenen BH und einen passenden Schlüpfer aus Lindas Kleiderschrank, zog mich an und ging in das Zimmer von Trevor, dessen Computer meines Wissens nach niemals ausgeschaltet und ständig online war.
    Ich versuchte es noch einmal bei meinem Steuerberater, hörte in der Leitung aber nichts als ein endloses Klingeln, das von keinem Anrufbeantworter unterbrochen wurde. Ich rief die Auskunft an, klemmte mir Trevors schnurloses Telefon ans Ohr und startete gleichzeitig eine Google-Suche nach dem Steuerbüro. Vielleicht hatte ich die falsche Nummer.
    »Es gibt keinen Eintrag für Benjamin Heller und Partner, weder in Manhattan noch in den anderen fünf Stadtteilen, Madam.« Und online fand ich ebenfalls nichts.
    Mir wurde klar, dass ich das Büro nie von innen gesehen und auch nie mit Arthur telefoniert hatte, dem Mann, der uns vor jeder Steuererklärung zu Hause besuchte. Gelegentlich hatte er mich angerufen, um nach meinen Ausgaben zu fragen, um diese Quittung oder jenen Scheck anzufordern. Ich hatte Marcus alles überlassen, unterschrieb die vierteljährlichen Steuererklärungen und die jährlichen Bilanzen, ohne einen genaueren Blick darauf zu werfen.
    Der Computermonitor begann vor meinen Augen zu verschwimmen, als ich nochmals meine Konten überprüfte. Ich kannte alle Passwörter auswendig. Seit der letzten Abhebung, als ich die Konten leergeräumt hatte, war nichts mehr passiert.
    Ich überprüfte unser Konto bei American Express und fahndete nach Marcus’ letzten Ausgaben. Natürlich war er zu clever, um die Karte jetzt noch zu benutzen, und ich suchte einfach die wenigen Informationen zusammen, die mir blieben. Ich entdeckte die vielen banalen Abbuchungen - der Saftladen in seinem Sportstudio, Lieferservices, die wir beide mochten, der Supermarkt, unsere Stammbar an der Ecke. Ich scrollte mich durch die Ausgaben der letzten Monate.
    Linda tat das regelmäßig, das wusste ich. Sie überprüfte ihren Kontostand bei Amex täglich, weil sie die Karte wie Bargeld benutzte und den Überblick über ihre Ausgaben behalten wollte.
    »Der arme Erik kann sich nicht mal einen Kaffee bei Starbucks kaufen, ohne dass ich es erfahre«, hatte sie gewitzelt. Aber der Schuss war nach hinten losgegangen, oder? Sie war so mit Kleinigkeiten beschäftige, dass ihr die großen Veränderungen entgangen waren. Nicht dass ausgerechnet ich mir ein Urteil hätte erlauben dürfen.
    Ich hatte mir meine Kreditkartenabrechnungen seit Monaten nicht angesehen. Ich kaufte, was ich brauchte, holte mir Bargeld von den mir zugewiesenen Konten und machte mir über meine Ausgaben keine Gedanken. Nur vor ein paar Monaten hatte ich

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