Hueter der Daemmerung
eine Hand aus und schlug nach den Staubkörnchen, die vorüberschwebten. »Ich habe einen Plan, aber er gefällt mir nicht besonders«, bekannte er. »Bevor wir die Sicherheitsinformationen nicht haben, will ich das Team noch nicht einweihen. Ich hoffe, wir finden etwas heraus, womit er sich verbessern lässt.«
Ich biss mir auf die Lippe. Das klang nicht gut. Ich sagte nichts, da er das Thema offensichtlich nicht vertiefen wollte. Nach einer Weile rollte er sich zu mir herum, und wir lagen da uns sahen uns an, ohne zu sprechen. Ich fühlte, wie ich in den strahlenden blaugrauen Augen unter ihren schwarzen Wimpern versank. Als mich ein Schwall seiner Gefühle erfasste, bekam ich einen Kloß im Hals: Ich spürte eine tiefe Sehnsucht -und eine unterdrückte Furcht, dass uns nicht das lange gemeinsame Leben vergönnt war, das wir uns beide wünschten. Der Gedanke jagte mir Angst ein.
Er streckte eine Hand aus und berührte eine Strähne meines Haars, als hätte er es nie zuvor gesehen. Dann drückte er seine Lippen auf meine. Ich konnte fühlen, wie sehr er es brauchte, sich in mir zu verlieren, ging es mir umgekehrt doch ganz genauso. Ich presste ihn an mich, während wir uns küssten, und wünschte, wir hätten unbegrenzt Zeit füreinander und alle Menschen würden sich dahin scheren, wo der Pfeffer wächst, damit wir endlich tun und lassen könnten, was wir wollten. Denn obwohl ich versuchte, nicht daran zu denken, konnte ich in meinen dunkelsten Momenten nicht umhin, mich zu fragen, ob wir das hier wirklich überleben würden. Und ich wollte nicht sterben, ohne mich dem Jungen, den ich liebte, ganz und gar hingegeben zu haben.
»Alex, vielleicht …« Ich flüsterte jetzt. Mein Herz hämmerte. Mein Körper fühlte sich erhitzt und kribbelig an.
Er stützte sich auf die Ellenbogen und musterte eindringlich mein Gesicht. Bevor er etwas sagen konnte, hörten wir, wie Sam und Brendan, die sich wegen irgendetwas in der Wolle hatten, zurück in den Schlafsaal kamen. Ich fasste es nicht. Da waren wir Tausende von Kilometern weit weg von zu Hause und den Spielen der NBA, und sie diskutierten über Basketball. Ich schloss ganz fest die Augen und hätte am liebsten geweint. Alex atmete aus, dann küsste er mich.
»Bald«, sagte er. Und an der Entschlossenheit in seiner Stimme erkannte ich, dass er es möglich machen würde, koste es, was es wolle.
Jetzt, wo wir nur noch eine Ziffer in dem sechsstelligen Zugangscode knacken mussten, stellte sich heraus, dass der Code wöchentlich geändert wurde. Und wir waren wieder da, wo wir angefangen hatten. Jeder von uns stand unter Druck – ganz besonders Kara, deren Aufgabe es war, den neuen Code herauszufinden. Und die ließ sich nicht beschleunigen, auch wenn wir uns alle danach sehnten. Mittlerweile blieb uns nur noch etwas mehr als eine Woche. Das restliche Team rackerte sich in seiner Freizeit entweder verbissen an den Fitnessgeräten ab oder schaute schweigsam fern.
Aber das Gelingen des Plans war nicht meine einzige Sorge. Ein-, zweimal war ich bei Seb auf jenes übermächtige Gefühl gestoßen, das ich am Tag, als wir uns zum ersten Mal begegnet waren, in ihm gespürt zu haben glaubte. Warme, tiefe Emotionen, die mir ganz genau verrieten, wie sehr er sich noch immer mehr als Freundschaft von mir erhoffte.
Normalerweise verbarg er seine Empfindungen tief in seinem Inneren. Und egoistischerweise war ich dankbar dafür. Ich wollte mit seinen Gefühlen mir gegenüber nicht konfrontiert werden, wollte, dass zwischen uns alles blieb, wie es war. Für immer. Denn Seb und ich verstanden uns in jeder Hinsicht einfach auf Anhieb. Er war tatsächlich wie ein Bruder für mich. Wie ein Seelenverwandter, der irgendwie zu mir zurückgefunden hatte, nachdem wir ein Leben lang getrennt gewesen waren.
Blau. Ich stellte mir ein luftiges helles Blau vor. Blau, wie der Himmel an einem Sommertag. Wir saßen draußen im Hof und ich konzentrierte mich ausschließlich auf meine Aura. Locker und spielerisch bewahrte ich mir das Gefühl, eins mit ihr zu sein. Meine Aura verfärbte sich, brav nahm ihr silberner Schimmer die Farbe des Himmels an. Ich blieb gelassen und distanziert und achtete nicht auf das entfernte Klopfen meines Herzens. Zur Abwechslung kam von Sebs Energie keine Unterstützung, obwohl ich fühlte, dass er in meiner Nähe saß und mir in Gedanken Mut zusprach.
Dann heulte die Alarmanlage eines Autos los, und ich zuckte zusammen. Schlagartig wurde meine Aura wieder silbern. Als
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