Hueter der Daemmerung
jetzt mit meiner Aura anstellte, absolut sicher war.
Blau, dachte ich und spürte die Veränderung.
Ich erkannte, dass Seb mitbekommen hatte, was passiert war und warum. Der Griff seiner Hände verstärkte sich. »Schau mal«, flüsterte er.
Ich schlug die Augen auf. Meine Aura leuchtete in einem klaren Himmelblau, das in ein helles Lila überging. Ich schluckte und rechnete fast damit, dass sie mit Pauken und Trompeten wieder ihre alte Silberfarbe annehmen würde. Mit voller Absicht dachte ich an den Angriff auf das Konzil. Daran, wie dringend ich dabei sein musste. Und bombardierte mich mit sämtlichen unangenehmen Gedanken, die mir einfielen, um mich abzulenken.
Meine Aura blieb blau.
Voller Verwunderung streckte ich die Hand aus und sah zu, wie das blaue Licht auf meinen Fingern schimmerte. Ein Hochgefühl durchströmte mich.
»Seb! Ich hab’s geschafft! Ich hab’s echt geschafft!« Ich stürzte mich auf ihn und zog ihn in eine Umarmung, die er lachend erwiderte. Ich konnte spüren, dass er trotz seiner Vorbehalte ungeheuer erleichtert war, dass ich den Bogen endlich raushatte.
Ich sank zurück auf das Sofa und starrte auf meine Aura, die immer noch blau war. Probehalber versuchte ich, ihr ein kümmerliches, mattes Grau zu verpassen. Die Farben verdunkelten sich, schrumpften. Sie klebte an mir, wie schmutziges Spülwasser. Ich fand sie widerlich. Und einem Engel würde es genauso gehen.
Ich bin mir nicht sicher, wie viel Zeit verging, während ich dasaß und mit meiner Aura spielte, sie durch meine Gedanken die Farbe wechseln ließ. Seb sah mir schweigend zu. Schließlich schauten wir uns an, und meine Aufregung schwand. Die Nähe zwischen uns, die mich letztendlich dazu gebracht hatte, dieses zu lernen, kam mir auf einmal vor wie ein zweischneidiges Schwert – denn wenn das Team das Konzil angriff, würde Seb jetzt mit dabei sein und sein Leben riskieren. Alex und ich hatten keine Wahl, Seb aber schon. Ich wollte ihn in Sicherheit wissen, genau wie er mich.
Als Antwort auf meine unausgesprochenen Gedanken schüttelte er den Kopf. »Madre mia, Willow«, sagte er sanft. »Glaubst du wirklich, ich würde mich irgendwohin verziehen und mich in Sicherheit bringen, während du daran teilnimmst?«
Meine Brust krampfte sich zusammen. »Seb … du könntest sterben. Und das für eine Sache, hinter der du eigentlich noch nicht einmal richtig stehst.«
Ich hatte die Worte kaum ausgesprochen, da streifte mich das Bild eines kleinen Mädchens mit großen Augen – dasselbe Mädchen, das ich schon einmal gesehen hatte. Lauf, ninal Vor Schreck schnappte sie nach Luft, dann nahm sie die Beine in die Hand und flitzte durch eine herumwirbelnde, tanzende Menschenmenge davon.
Ich starrte Seb an. »Wer ist das?«
Den Blick in die Ferne gerichtet, zuckte er mit den Schultern. »Keine Ahnung. Ein Straßenkind.« Er erzählte mir, was passiert war; wie er sie vor einem Engel gerettet hatte. Ich saß da und hörte ihm zu, ohne mich zu rühren. Alles stand mir so lebhaft vor Augen – und vor Erleichterung, dass es ihm irgendwie gelungen war, den Engel mit nichts als einem Messer zu töten, wurde mir ganz flau.
Als Seb geendet hatte, schnitt er eine selbstironische Grimasse. »Die ganze Zeit habe ich gedacht, Du blöder cabrón, was machst du hier eigentlich? Endlich bist du so kurz davor, sie zu finden, warum setzt du das hierfür aufs Spiel? Aber hinterher wusste ich, dass ich wieder ganz genauso handeln würde. Dass es das wert war.«
»Weil du an ihrer Stelle hättest sein können«, murmelte ich und beobachtete ihn. Er hatte den Kopf gesenkt und spielte am Bündchen seines T-Shirt-Ärmels herum. Seine markanten Gesichtszüge wirkten beinahe wie gemeißelt. »Du hast ihr geholfen, als sie dich brauchte, so wie du dir immer gewünscht hast, dir würde jemand helfen.«
»Ja, wahrscheinlich.« Seb drehte den Kopf, um mich anzusehen. Er schien bis in die Tiefen meiner Seele zu blicken. Ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen. »Noch während es passierte, wusste ich, dass du mich verstehen würdest.«
Mein Gesicht begann zu glühen. Wir hatten nicht viel darüber gesprochen, dass immer ich es gewesen war, nach der er gesucht hatte – im Gegensatz zu irgendeinem x-beliebigen Halbengel-Mädchen.
Erneut senkte er den Blick und schob seine Ärmel bis zu den Ellenbogen hoch. »Willow, wenn es so weit ist, werde ich dort sein, wo du bist«, sagte er. »Lass uns nicht darüber streiten, okay?«
»Okay«, brachte ich
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