Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hueter der Daemmerung

Hueter der Daemmerung

Titel: Hueter der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. A. Weatherly
Vom Netzwerk:
wie ein Bündel brennender Streichhölzer.
    Als ich die Tür öffnete, stand Seb im Flur, die Hände in den Hosentaschen. Sein brauner Lockenkopf war strubbelig. Seine besorgten Augen musterten mich prüfend. »Kann ich reinkommen?«
    Oh Gott, bin ich froh, dich zu sehen. Könntest du mich einfach nur ein bisschen festhalten, damit ich mich an deiner Schulter in eine heulende, schniefende Masse verwandeln kann? Mit einiger Anstrengung sprach ich es nicht aus. Ich nickte und zog die Tür weiter auf. Als er das Zimmer betrat, zögerte ich. Dann schloss ich sie hinter ihm. Unabhängig davon, was irgendwer davon halten mochte, brauchte ich gerade etwas Privatsphäre. Was sich zwischen mir und Alex gerade abspielte, ging niemanden etwas an.
    Wir setzten uns auf mein Bett. Ich lehnte mich an die Wand. Ein paar Minuten lang sprach keiner von uns, und es war eine unglaubliche Erleichterung – da war jemand bei mir, der mich auch ohne Worte total verstand.
    »Tja, das ist ziemlicher Mist«, sagte ich endlich.
    Seb schnitt eine Grimasse. »Ihr habt euch meinetwegen gestritten, oder? Du brauchst nicht zu antworten«, fügte er trocken hinzu. »Das haben nun wirklich alle mitbekommen, und die Hälfte von ihnen konnte es gar nicht erwarten, mir das aufs Butterbrot zu schmieren.«
    Großartig. Ich umklammerte meine Arme. »Ich kann es ihm nicht verdenken, dass er sauer ist«, sagte ich. »Er hat gerade herausgefunden, dass –« Ich stockte. Ich hatte Seb gegenüber nie erwähnt, dass ich ihn spürte, sogar wenn er nicht da war. Mir wurde heiß.
    »Oh«, sagte Seb leise, als er meinen Gedanken aufschnappte. »Das – kann nicht leicht für ihn sein, nehme ich an.« Sein Tonfall war neutral. Ich wusste, dass er auch nicht mehr für Alex übrig hatte, als der für ihn.
    »Geht dir das genauso?«, fragte ich nach einer Weile. Plötzlich fühlte ich mich schüchtern. »Mit mir, meine ich?«
    Seb nickte bedächtig. Er stützte sich mit einem Fuß auf den Boden, das andere Bein hatte er angezogen, während er auf dem Bett saß. »Selbst wenn ich gar nicht an dich denke, bist du irgendwie immer in meinem Kopf. Bei jedem anderen wäre mir das zu viel. Aber bei dir kommt es mir ganz … normal vor.«
    Exakt dasselbe fühlte ich auch. Oh Gott, ich konnte begreifen, warum Alex so außer sich war. Was, wenn es zwischen ihm und Kara so wäre?
    »Ich weiß nicht, ob das daran liegt, dass wir beide Halbengel sind, oder …« Seb schüttelte den Kopf. »Vielleicht eine Mischung aus beidem«, sagte er. Obwohl er einen Gedanken ausgelassen hatte, wusste ich, was er meinte. Zum Teil musste es daran liegen, dass wir Halbengel waren und hellsehen konnten. Aber womöglich wurde es durch unsere Persönlichkeiten intensiviert. Durch die Nähe zwischen uns.
    »Und wie ist der Stand der Dinge zwischen dir und Alex?«, fragte Seb irgendwann. »Wie ist es ausgegangen?«
    Ich lachte kurz auf und fuhr mir unwirsch über die Augen. Sie schienen schon wieder überzulaufen. »Wir haben eine Menge Dinge gesagt, die wir hoffentlich nicht so gemeint haben.« Denn Alex konnte nicht im Ernst von mir erwarten, Seb aus dem Weg zu gehen, oder doch? Dem einzigen anderen Halbengel, den ich kannte.
    Schweigend studierte Seb mein Gesicht. »Willow … wäre es leichter für dich, wenn ich gehe?«
    Ich erstarrte. Nein – bitte, bitte nicht. »Gehen?«, echote ich.
    »Es läuft doch nur so schlecht, weil ich hier bin, hab ich recht?« Mit einem Finger strich er mir sanft, so sanft eine Träne von der Wange. »Ich will, dass du nicht mehr weinst, querida, verstehst du?«
    Trotz des Aufruhrs, der in mir tobte, konnte ich Sebs widersprüchliche Emotionen erspüren. Wie sehr er es hasste, dass ich unglücklich war, einerseits. Die Hoffnung auf das, was sich zwischen uns ergeben könnte, andererseits. Als ich an Alex’ Worte und an Sebs Gesichtsausdruck an diesem Nachmittag dachte, wurde mir die Brust eng. Oh Gott, ich wollte nicht, dass Seb in mich verliebt war. Ich wollte nicht, dass er meinetwegen jemals unglücklich war, auf gar keinen Fall.
    »Es kommt nicht darauf an, was für mich am einfachsten ist«, brachte ich mit erstickter Stimme heraus. »Entscheidend ist, dass ich dir gegenüber nicht ungerecht sein will, Seb. Ich kann dich nicht bitten zu bleiben, nur weil ich dich gerne hier haben möchte. Nicht, wenn ich nicht …« Ich verlor den Faden. Zum ersten Mal hatte ich ihm, wie indirekt auch immer, gesagt, dass ich wusste, was er für mich empfand. Es war praktisch

Weitere Kostenlose Bücher