Hueter der Daemmerung
auch das erste Mal, dass ich es mir selbst offen eingestanden hatte.
Er wusste, was ich meinte. Wie immer. »Du bist nicht ungerecht«, sagte er mit fester Stimme. »Du bist von Anfang an ehrlich zu mir gewesen. Ich weiß, dass du Alex liebst. Und ich …« Er berührte mein Haar; ich sah, wie er schluckte. »Ich liebe dich auf jede erdenkliche Art und Weise, auf die man jemanden lieben kann«, erklärte er. »Das beinhaltet auch wie ein Freund und Bruder. Wenn du mich hier haben möchtest, dann bleibe ich. Ich will es dir nur nicht noch schwerer machen.«
»Ich liebe dich auch«, flüsterte ich. »Wie einen Freund, ich …« Mir schnürte es die Kehle zu, ich konnte den Satz nicht beenden. Es kam mir alles so hoffnungslos vor – Seb, der in mich verliebt war, während ich ihn nur gernhatte, wie einen Freund. Der Streit mit Alex, der immer noch in meinem Kopf widerhallte. Oh Gott, was, wenn wir uns wirklich getrennt hatten?
Als ich spürte, wie alle Dämme brachen, rückte Seb an mich heran und legte den Arm um mich. Dankbar lehnte ich den Kopf an seine Schulter. Sie fühlte sich stark an unter meiner Wange. »Ich sollte – du solltest das nicht tun«, konnte ich noch stammeln, bevor ich in Tränen ausbrach. »Ich kann nicht erwarten, dass du mich tröstest, wenn ich in jemand anderen verliebt bin. Das ist zu viel verlangt …«
»Sei still und lass mich dich festhalten«, sagte er streng.
Wir saßen lange Zeit so da, ohne zu sprechen. Sebs Hand streichelte meinen Arm, während ich weinte. Seine Wange lag an meinem Haar. Ich konzentrierte mich ausschließlich auf Äußerlichkeiten: Auf seine tröstliche Wärme, während ich mich an ihn schmiegte; auf das leichte Kratzen seiner Bartstoppeln; seinen sauberen, holzigen Geruch. Und ich bemühte mich sehr, an überhaupt nichts zu denken.
Irgendwann schob er mir die Haare aus dem Gesicht und sagte: »Die anderen werden bald nach oben kommen … wird’s gehen?«
Ich nickte und setzte mich ein bisschen aufrechter hin, wischte mir über die Augen. »Ja, alles in Ordnung mit mir.«
Sein Blick bohrte sich in meinen. Er wusste, dass nicht alles in Ordnung war. Nicht wirklich. »Ich wünschte, ich könnte heute Nacht hier bei dir bleiben.«
»Ich weiß. Aber ich komme schon klar.«
Sebs Mund verzog sich zu etwas, das ein Lächeln sein wollte. Er hielt mich immer noch im Arm. Dann beugte er sich vor und küsste mich aufs Haar. Kurz pressten sich seine warmen Lippen auf meinen Kopf. Ich konnte spüren, wie viel ich ihm bedeutete – die Tiefe seiner Empfindungen hüllte mich ein, hielt mich ganz fest. Etwas regte sich in mir. Ich schob es beiseite, schloss die Augen und ließ mich von Sebs Kuss trösten.
»Bis morgen«, flüsterte er.
»Okay«, gab ich zurück. »Und … danke, Seb.«
Er verdrehte die Augen, während er aufstand. »Um mich fernzuhalten, hättest du schon die Tür verrammeln müssen, querida.«
Ich schlang die Arme um die Knie und sah zu, wie er den Raum durchquerte – er war so anders als Alex, mit seinen braunen, unordentlichen Locken, aber seine Schultern und sein Rücken waren genauso kräftig. Als er die Hand nach der Tür ausstreckte, wurde sie von draußen aufgestoßen.
Kara stand auf der Türschwelle.
Ihre Augenbrauen hoben sich, als sie ihre Blicke über Seb, mich und das ansonsten leere Zimmer schweifen ließ. Sie sagte kein Wort. Seb blieb ebenfalls stumm, obwohl ich sah, dass er zum Sprechen ansetzte. Ich glaube, er sah ein, dass es sinnlos war. Kara würde es nicht interessieren, was er zu sagen hatte. Stattdessen schaute er zu mir zurück. In seinen Augen las ich abermals ein bis morgen und nickte.
Als er weg war, kam Kara ins Zimmer und machte die Tür hinter sich zu. Sie lehnte sich dagegen. »So so«, sagte sie. »Das sah ja interessant aus.«
»Ja, da wett ich drauf«, sagte ich brüsk. Ich erhob mich von meinem Bett, öffnete meine Kommodenschublade und holte meinen Schlafanzug heraus.
»Und … bist du jetzt mit Seb zusammen?«
Ich erstarrte und drehte mich um, um sie anzusehen. Ungerührt erwiderte sie meinen Blick, die Miene ihres exotischen Gesichts war nicht zu deuten. Sie trug schwarze Jeans und ein pinkes Oberteil, das jede Kurve ihres geschmeidigen Körpers betonte. Ich konnte ihr AK-Tattoo sehen, das unter ihrem Ärmel hervorlugte, und plötzlich hasste ich es aus ganzer Seele. Das gehörte Alex – nicht ihr.
»Nein«, sagte ich. »Seb ist nur ein Freund.« Nur ein Freund -und das obwohl er, von Alex einmal
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